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gleicher Art verpflichteten Personen die Dienstleistungen eingestellt werden,
um ein bestehendes Arbeitsverhältnis rechtlich umzugestalten oder in seinem
Bestande zu verteidigen; er ist auch für alle Beamten erlaubt, die nicht
Hoheitsrechte wahrnehmen, mithin keine Prinzipalsstellung bekleiden, also
für die große Mehrheit der Beamten, alle mittleren und unteren — mit
Ausnahme der Polizeibeamten und Soldaten —, sowie die mit nur tech-
nischen Funktionen betrauten höheren Beamten; dieser Rechtszustand gründet
sich auf den Aufruf der Volksbeauftragten vom 12. 11. 1918, der weder
durch Art. 159 RV., wenn er nur im richtigen Geist verstanden wird, be-
seitigt ist, noch durch die Beamtendisziplinargesetze berührt wird; diese
betreffen nämlich nur die Arbeitsversäumnisse des einzelnen, nicht die Kol-
lektivhandlung der gemeinsamen Arbeitseinstellung, auch ist Streik der
Beamten im republikanisch-demokratischen Staat weder Amtspflichtverlet-
zung, noch unwürdiges Verhalten in oder außer Dienst.
Dies ist in wenigen Worten der Inhalt der Abhandlung. Das Ergebnis
stand für den Verfasser, wie er offen bekennt, von vornherein fest; er
zieht darum auch eine scharfe Grenze zwischen sich und den „zünftigen“
Juristen; er will die Frage nicht mit dem seiner Meinung nach veralteten
und unzulänglichen Mittel einer „logisch-scholastischen und historisch-
teleologischen Methode“ der Juristen lösen, denn gerade „die nichtjuristi-
schen Gesichtspunkte und Gründe weltanschauungsmäßiger Einstellung“
seien es, welche hier allein die juristische Entscheidung tragen könnten.
Wer das Streikrecht der Beamten bejahen wolle, werde hierfür ebensogut
Gründe suchen und finden können, wie der, welcher es ablehnen möchte.
Während aber die Verneiner des Streikrechts auf Mittel künstlicher,
philologischer Interpretation oder Motivenkult zurückgreifen müßten, um
ihre Meinung zu belegen, so sprächen für seine Bejahung Zusammenhang
und Geist der Verfassung, Sprachgebrauch und Rechtsbewußtsein der be-
teiligten Kreise, sofern man die Frage nur im wahren republikanisch-
demokratischen Geist erfaßt habe.
Mit diesen Vorbedingungen der juristischen Begründung für die An-
sicht des Verfassers werden der Kritik durch Juristen, die das hier ge-
sprochene Verdikt über logische und historische Auslegungskunst nicht
rückhaltlos anerkennen, gewisse Grenzen gezogen, soll nicht das ganze
Problem der Rechtsfindung zur Erörterung gestellt werden, wofür hier kein
Platz ist. Wohl aber darf man, auch ohne die prinzipiellen Ansichten des
Verfassers zu teilen, seine Darlegungen von seinem eignen Standpunkte aus
einer Kritik unterziehen: Da läßt sich Verfasser eine petitio principii zu-
schulden kommen, die nicht unerörtert bleiben darf. Republikanisch-demo-
kratischer Geist ist nach ihm Anerkennung der Volkssouveränität im ein-
zelnen Staatsbürger, insbesondere auch gegenüber dem Staat, dessen autori-
tative Ueberordnung über den einzelnen und den Beamten vornehmlich
hiermit nicht vereinbar sei; der Beamte müsse daher z. B. bei der Gestal-