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Das Bellum omnium contra omnes ist der natürliche zwischen-
staatliche Zustand, stets zum offenen Bellum zu werden eine Ten-
denz besitzend, welcher freilich andere Vorstellungen entgegen-
wirken, wie denn das moderne publizistische Denken keine Einheit,
sondern von tiefen Gegensätzen durchzogen ist.
Die Entwicklung des absoluten Momentes im Staate schreitet
fort. Die Menschheit kann sie schwerlich verhindern. Sie zu
bejahen, schaudert sie dennoch zurück und ist bestrebt, Dämme
gegen den Leviathan zu errichten. Der Staat als Leviathan — ob-
zwar als Phänomen natürlich — erscheint ihr dennoch der Natur
widrig, und sie glaubt sich auf Grund allgemeiner, ebenfalls für
natürlich gelraltener Prinzipien berechtigt, dem Leviathan Schranken
zu setzen, die den natürlichen Prinzipien gemäß sind. Hier spielen
die Residuen ım Bewußtsein aus dem doppelten Dualismus von
Staat und Kirche, von Fürst und Ständen eine Rolle, und dies ist
der andere Zusammenhang, in dem das Recht gedacht wird: als
über dem Staate stehend, nicht von ilım gemacht, sondern ihm
gegeben. Hier liegt eine der Wurzeln der Rechtsstaatsidee, der
angeborenen Menschenrechte, des Verwaltungsrechts’?, jener
Sphäre, in der im amerikanischen Rechte der Begriff des due
process of law erwachsen ist: der Garantie gehörigen Rechts-
verfahrens, die „den einzelnen gegen eine willkürliche, an aner-
kannte Grundsätze des privaten Rechts und ausgleicbender Gerechtig-
keit nicht gebundene Regierungsgewalt schützen“ will, oder mit
Bezug auf die Gesetzgebung verlangt, „daß ein Gesetz nicht will-
kürlich sein darf; jeder Akt der gesetzgebenden Gewalt muß sich
als Aeußerung einer vernunftgemäßen Rechtsordnung rechtfertigen
können... .“; es wird „verlangt Uebereinstimmung des Gesetzes
mit den hergebrachten Grundsätzen einer freien Regierung“
(FREUND, Das öffentliche Recht der Vereinigten Staaten von
Amerika. Tübingen 1911, S. 48/49). Das Recht scheint in
. —_— u...
78 Vgl. Push &R. Institutionen des deutschen Verwaltungsrechtes, dv. Aufl.
1920 S. 31 ff.