Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

— 118 — 
dies nach den Erfahrungen aller Kulturstaaten vom Rechte der parla- 
mentarisch-demokratischen Regierungsformen. Nach ihrer Einführung 
in das deutsche Staatsleben muß die Entwicklung der ersten Jahre 
hier entscheidend für die weitere Zukunft werden. Unter diesem 
Gesichtswinkel kann es nicht zweifelhaft sein, daß die sächsischen Vor- 
gänge ebenso unerfreulich für die Gegenwart, wie für die Zukunft 
bedenklich sind. An sich ist schon eine Minderheitsregierung, wenn 
sie jahrelang am Ruder bleibt, obschon sie bei Heranziehung aller ihr 
zu ($ebote stehenden Hilfstruppen nur über eine ganz knappe Mehr- 
heit von 2 Stimmen verfügt, in einem demokratischen Staatswesen 
eine mißliche Erscheinung. Sie muß aber für die ruhige Entwicklung 
des Staates Gefahr bringen, wenn sich diese Regierung immer mehr 
zu einer ausgesprochenen Klassenregierung auswächst. So hat sich 
die sächsische sozialistische Regierung unter dem Druck der Kom- 
munisten beständig weiter radikalisiert und sich nicht nur selbst in 
ihren Erklärungen verschiedentlich als eine Arbeiterregierung mit dem 
Ziele der Durchsetzung des Sozialismus bezeichnet, sondern sie hat 
auch in Gesetzesvorlagen und Verwaltungshandlungen diese Einstellung 
praktisch bekundet. Auf die Dauer muß eine solche Situation zu 
immer stärkeren Spannungen führen, zumal wenn die von der Regie- 
rung dauernd ausgeschlossene, an Zahl nur wenig schwächere Hälfte 
zugleich der an Intelligenz und wirtschaftlicher Kraft weitaus stärkere 
Volksteil ist. Der Ernst der Lage wird aber erst völlig klar, wenn 
man dabei erwägt, daß die Gruppe von Abgeordneten, auf die sich 
die sozialistische Minderheitsregierung allein stützen muß, die kom- 
munistische Fraktion ist, die wie allgemein bekannt ist, und wie sie 
selbst bei keiner Gelegenheit im Landtage mit zynischer Offenheit zu 
erklären versäumt, mit allen Mitteln daraufhin arbeitet, die Verfassung 
auch unter Anwendung von Gewalt zu beseitigen, um die Diktatur 
der durch sie vertretenen politischen Minderheit aufzurichten. Wenn 
der Vertreter dieser Gruppe dabei der sozialistischen Regierung bei 
jeder Gelegenheit ihre Unzulänglichkeit vorhält und als Motiv ihrer 
Haltung angibt, sie wolle damit nur die Illusionen der Massen zer- 
stören und zeigen, daß auch eine sozialistische Regierung nicht zum 
Sozialismus führe, so hat diese Motivierung nicht nur eine tragikomische 
Bedeutung. Wenn man sieht, wie die sozialistische Regierungspartei 
unter diesem Druck schließlich bei Vereinbarungen mit den Kom- 
munisten angelangt ist, die bei wirklicher Durchführung die demo- 
kratische Verfassung auf das schwerste gefährden müssen, so muß
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.