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dies nach den Erfahrungen aller Kulturstaaten vom Rechte der parla-
mentarisch-demokratischen Regierungsformen. Nach ihrer Einführung
in das deutsche Staatsleben muß die Entwicklung der ersten Jahre
hier entscheidend für die weitere Zukunft werden. Unter diesem
Gesichtswinkel kann es nicht zweifelhaft sein, daß die sächsischen Vor-
gänge ebenso unerfreulich für die Gegenwart, wie für die Zukunft
bedenklich sind. An sich ist schon eine Minderheitsregierung, wenn
sie jahrelang am Ruder bleibt, obschon sie bei Heranziehung aller ihr
zu ($ebote stehenden Hilfstruppen nur über eine ganz knappe Mehr-
heit von 2 Stimmen verfügt, in einem demokratischen Staatswesen
eine mißliche Erscheinung. Sie muß aber für die ruhige Entwicklung
des Staates Gefahr bringen, wenn sich diese Regierung immer mehr
zu einer ausgesprochenen Klassenregierung auswächst. So hat sich
die sächsische sozialistische Regierung unter dem Druck der Kom-
munisten beständig weiter radikalisiert und sich nicht nur selbst in
ihren Erklärungen verschiedentlich als eine Arbeiterregierung mit dem
Ziele der Durchsetzung des Sozialismus bezeichnet, sondern sie hat
auch in Gesetzesvorlagen und Verwaltungshandlungen diese Einstellung
praktisch bekundet. Auf die Dauer muß eine solche Situation zu
immer stärkeren Spannungen führen, zumal wenn die von der Regie-
rung dauernd ausgeschlossene, an Zahl nur wenig schwächere Hälfte
zugleich der an Intelligenz und wirtschaftlicher Kraft weitaus stärkere
Volksteil ist. Der Ernst der Lage wird aber erst völlig klar, wenn
man dabei erwägt, daß die Gruppe von Abgeordneten, auf die sich
die sozialistische Minderheitsregierung allein stützen muß, die kom-
munistische Fraktion ist, die wie allgemein bekannt ist, und wie sie
selbst bei keiner Gelegenheit im Landtage mit zynischer Offenheit zu
erklären versäumt, mit allen Mitteln daraufhin arbeitet, die Verfassung
auch unter Anwendung von Gewalt zu beseitigen, um die Diktatur
der durch sie vertretenen politischen Minderheit aufzurichten. Wenn
der Vertreter dieser Gruppe dabei der sozialistischen Regierung bei
jeder Gelegenheit ihre Unzulänglichkeit vorhält und als Motiv ihrer
Haltung angibt, sie wolle damit nur die Illusionen der Massen zer-
stören und zeigen, daß auch eine sozialistische Regierung nicht zum
Sozialismus führe, so hat diese Motivierung nicht nur eine tragikomische
Bedeutung. Wenn man sieht, wie die sozialistische Regierungspartei
unter diesem Druck schließlich bei Vereinbarungen mit den Kom-
munisten angelangt ist, die bei wirklicher Durchführung die demo-
kratische Verfassung auf das schwerste gefährden müssen, so muß