Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

handelt zunächst die Regelung durch Berufskammern und zeigt dabei, daß 
in diesen der Wirtschaftsepoche des liberalen Individualismus entstammenden 
Kammern das Element der Arbeiterschaft fehlte, daß es zur Schaffung von 
Arbeiterkammern vor dem Kriege nicht gekommen war. Den Ersatz dafür 
fand die Arbeiterschaft in den von ihr geschaffenen freien sozialen Klassen- 
vertretungen, den Gewerkschaften. Und so ist die gesetzliche Normierung 
der Betriebsvertretung und der weitere Aufbau in Arbeiterkammern erst 
ein Ergebnis der Revolution. In sehr interessanter Darstellung behandelt 
dann der Verf. weiter die Frage der Zusammenfassung dieser amtlichen 
berufständischen Vertretungen in der Form von sachverständigen Parlamenten, 
vor allem in dem berühmten preußischen Volkswirtschaftsrat Bismarcks. Er 
bezeichnet es mit Recht als das große Verdienst Bismarcks „zum ersten 
Male in Deutschland an die Verwirklichung des Gedankens einer solchen 
Wirtschaftsverfassung praktisch herangetreten zu sein, wenn auch dieser 
Versuch von der Vollkommenheit noch weit entfernt war“ (S. 95). 
Bei der Betrachtung „des berufständischen Problems im verfassungs- 
rechtlichen Sinne“ betont der Verf. zunächst, wie schon an einer früheren 
Stelle (S. 15), daß es irrig ist „die berufständische Idee als Gliederungs- 
mittel des Staatswesens zu den Waffen der Reaktion zu rechnen. — Heute 
spielt im Gegenteil der berufständische Gedanke links keine geringere 
Rolle als rechts“ (S. 101). Sehr interessant sind auch seine folgenden Be- 
trachtungen (S. 102 ff.) über das allgemeine gleiche Wahlrecht. Wenn er 
dabei betont, daß die Fiktion der Gleichheit „keine Verankerung im 
sozialen Leben findet, sondern nur durch den hinter dem herrschenden 
Rechte stehenden Machtapparat des Staates, durch einen nackten Macht- 
spruch dekretiert werde“, so gibt ihm die Entwicklung vor allem in 
manchen deutschen Ländern darin nur zu recht (S. 105). Den Kardinal- 
fehler aller Demokratie erblickt er darin, „daß in ihr die Politik von der 
Masse gemacht wird, d.h. von einem Subjekt — wenn man die vielköpfige 
Hydra Subjekt nennen darf — das der Vernunft überhaupt nicht zugäng- 
lich ist* (S. 107). Auch auf den engen Zusammenhang von formaler Demo- 
kratie und Plutokratie, wie er hauptsächlich in Frankreich klar zutage 
tritt, weist der Verf. hin, anschließend gibt er auch eine Kritik des 
Parteiwesens. 
Dieser kritischen Betrachtung der heute herrschenden Regierungsform 
schließt sich eine eingehende Schilderung der Entwicklung der beruf- 
ständischen Staatslehre an, in der von dem Franzosen Simonde de Sismondi 
bis zum russischen und deutschen Rätegedanken die verschiedenen Ideen 
eines berufständischen Staatsaufbaus vorgeführt werden. Eine Behandlung 
des berufständischen Gedankens im deutschen Staatsrecht von den Ideen 
des Freiherrn vom Stein bis zur Behandlung der preußischen Wahlreform 
1917/18 schließt das 1. Buch des Werkes.
	        
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