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Es war ja wohl hauptsächlich der reaktionäre Geruch, in der manche erste
Kammern, vor allem das preußische Herrenhaus auch wohl nicht ganz mit
Unrecht standen, der in der Revolutionszeit das Zweikammersystem selbst
irrtümlicherweise als antidemokratisch erscheinen ließ. Dieser Vorwurf
würde aber eine nach modernen Grundsätzen zusammengesetzte beruf-
ständische Vertretung nicht treffen können, die sich sehr wohl unter
Wahrung der Vorherrschaft der Volkskammer in das parlamentarische
Prinzip einfügen ließe. Dabei muß offen ausgesprochen werden, daß
eine von einer derartigen Vertretung ausgehende Hemmung des Parlaments-
absolutismus nur erwünscht erscheinen kann, über dessen Unfruchtbarkeit
sich heute schon weiteste Volkskreise einig sind.
Der Verf. versucht keine Lösung dieser schwierigen Probleme und er
tut darin recht. Denn noch sind sie zu sehr im Fluß. Sein großes Ver-
dienst ist es aber, in seinem Buche den Stoff für die Beurteilung des
berufständischen Problems im deutschen Staatsrecht in erschöpfender Weise
beigebracht und das ganze Problem systematisch zerlegt und gegliedert
zu haben. Man wird vielleicht über Einzelheiten streiten können. Aber
niemand, der sich ernsthaft mit diesen schwierigen Problemen befassen
will, wird an dem Buche vorübergehen können. Das Buch stellt eine
außerordentlich fleißige und bis in die Einzelheiten durchdachte sehr wert-
volle Leistung dar.
2. Weniger um eine systematische Klärung der berufständischen Probleme
im einzelnen, als um ein Bekenntnis zur Idee des Ständestaats handelt
es sich in dem Buche Spanns. Die „Zergliederung der staatlichen, wirt-
schaftlichen und gesellschaftlichen Erscheinungen“ ist ihm viel mehr, als
ein bloß induktives, beschreibendes und logisch verarbeitendes Denken;
sie muß in die Tiefe des menschlichen Herzens hinabsteigen als zu dem
letzten Quell und Ursprung unseres Lebensgesetzes und muß von da aus
das Objekt „Gesellschaft“ nachschaffend erkennen, muß von da her den
Anschluß finden an die Verbundenheit des einzelnen, gleichsam als sein
Erwecktwerden durch die überindividuelle Ganzheit“ (Einleitung 8. 5).
Das Buch gliedert sich in 3 Teile. Der „erste vorbereitende Teil* be-
handelt das Wesen der Gesellschaft, den Individualismus, den Universalis-
mus und die Gliederung der Gesellschaft in Teilinhalte. „Die Gesellschaft
ist als eigene Ganzheit zu denken, deren Bestandteile nicht selbstherrlich,
nicht selbstgenugsam ein eigenes sind, sondern nur als notwendige Teile
der Ganzheit ihr Wesen besitzen“ (S. 11). „Das primäre, die ursprüngliche
Realität, von der sich alles ableitet, ist nicht das Individuum, sondern die
Ganzheit, die Gesellschaft“ (S. 29). Unter scharfer Ablehnung des Indi-
vidualismus bekennt sich der Verf. also zum Universalismus und zwar in
der Form des kinetischen Universalismus, der das Lebendige, stets im
Fluß befindliche des Organismus als dessen Wesenselement betont. Der
einzelne ist nur ein Teil dieser Ganzheit, ohne daß damit aber die Einzig-