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Man folgt den teilweise sehr witzigen und geistsprühenden Ausfüh-
rungen des Verf. mit viel Vergnügen, wird aber der Uebersetzung seiner
Ideen in die Praxis doch mit einem gewissen Skeptizismus entgegen-
sehen müssen. Koellreutter.
Alfred Schultze, Die Rechtslage derevangelischen Stifter
Meißen und Wurzen. Zugleich ein Beitrag zur Reformations-
geschichte (Leipziger rechtswissenschaftliche Studien, herausgegeben
von der Leipziger Juristenfakultät, Heft 1). Leipzig, Theodor Wei-
cher 1922, VII, 99 8.
In dieser Schrift veröffentlicht der Verfasser das Rechtsgutachten, das
er der Leipziger Juristenfakultät über die Rechtslage der evangelischen
Stifter Meißen und Wurzen erstattet hat. Jeden Hinweis auf die von den
beteiligten Stellen für und wider gegebenen Ausführungen und Mitteilungen
hat er dabeı unterdrückt, dafür aber manchen Punkt gegenüber dem Gut-
achten erweitert und vertieft, auch die wichtigsten der verwerteten, bisher
nicht veröffentlichten Urkunden in einem Anhang hinzugefügt. Im ersten
Teil der Abhandlung werden „die geschichtlichen Vorgänge“ seit der vor-
reformatorischen Zeit über die Reformation, den westfälischen Frieden, den
Bekenntniswechsel des Kurhauses, den Reichsdeputationshauptschluß, die
Verfassung von 1831, die späteren Landtagsverhandlungen bis zur Gegen-
wart verfolgt, im zweiten wird „die Beurteilung der Rechtslage“ gegeben,
Wir haben in der Schrift ein Musterbeispiel einer auf genauester Sach-
kenntnis und sicherem Urteil beruhenden Darlegung einer verwickelten, tief
in der Vergangenheit verwurzelten Rechtsfrage vor uns. Die in strenger
Schlußfolgerung gewonnenen, in durchsichtiger Klarheit entwickelten Ergeb-
nisse erscheinen unanfechtbar. Die beiden Kapitel, Beispiele der aus der
Reformation erwachsenen eigenartigen Gebilde evangelischer Stifter, sind
Körperschaften des öffentlichen Rechts mit kirchlichen Zwecken. Sie ge-
hörten vor der Staatsumwälzung von 1918 mit ihrer Rechtspersönlichkeit
in den weiteren Rahmen der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sach-
sense, standen nach der von OTTO MAYER geprägten Terminologie zu
ihr als ihrem „Muttergemeinwesen“ im Verhältnis abgezweigter rechts-
fähiger Verwaltungen. Daher können sie die Erhaltung ihrer öffentlich-
rechtlichen Persönlichkeit auf Art. 137 Abs. 5 Satz 1 unserer geltenden
Reichsverfassung gründen und kommt ihrem Stifts- und Kapitelsvermögen
der Schutz des Art. 138 Abs. 2 RV. zugute. Da mit der Staatsumwälzung
von 1918 der König und sein Haus als Stiftsherren ausgeschieden sind und
damit die Bedingung weggefallen ist, unter der die Postulatio perpetua
vom 15. Juni 1663 das Kurhaus Sachsen zur Stiftsherrlichkeit berufen hat,
so ist nunmehr Sedisvakanz eingetreten und das Domkapitel zu Meißen
infolgedessen verpflichtet, einen neuen Stiftsherrn zu wählen, den es, wie der
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