Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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I. Rechtsverordnungen. 
Alle Verfassungen gehen, wie bereits oben erwähnt, von dem 
Grundsatze aus, daß Rechtsverordnungen nur auf Grund gesetzlicher 
Ermächtigung erlassen werden dürfen, wenngleich dieser Satz aus- 
drücklich nur in der bayerischen und der württembergischen Verfas- 
sung ausgesprochen ist. Das Bestehen eines sog. selbständigen 
Rechtsverordnungsrechts, d. h. eines Rechts der Exekutive, Rechts- 
vorschriften auch ohne gesetzliche Ermächtigung zu erlassen, sofern 
diese nur Gesetzesvorschriften nicht widersprachen, kommt also für 
das geltende Staatsrecht nicht in Frage. Und es könnte auch dann 
nicht in Frage kommen, wenn aus den Verfassungen bzw. ihrer Ent- 
stehungsgeschichte nicht so klar hervorginge, daß sie es ablehnen, 
wie dies der Fall ist. Es wäre schon unvereinbar mit der heutigen 
Staatsform. Ein selbständiges Rechtsverordnungsrecht kann nur 
einem Staatsorgan eignen, das seine Zuständigkeiten nicht aus- 
schließlich aus der Verfassung herleitet, wie dies die deutschen 
Landesherren waren. Für sie konnte man an ein solches Verord- 
nungsrecht denken, sofern es nicht im Widerspruch stand mit 
positiven Bestimmungen der konstitutionellen Verfassung des Lan- 
des. Es war ihnen dasselbe dann eben geblieben als Rest der 
ihnen in vorkonstitutioneller Zeit eignenden allgemeinen Rechts- 
satzungsbefugnis, welche ihnen durch die von ihnen selbst erlas- 
senen Verfassungen nicht entzogen war. Dagegen konnte dem 
Bundesrat der Bismarckischen Reichsverfassung schon deshalb kein 
solches selbständiges Rechtsverordnungsrecht zugesprochen werden, 
weil er sein Dasein und alle seine Befugnisse nur aus der Ver- 
fassung ableitete'®. Und dasselbe gilt von allen Exekutivorganen 
in der Republik. Alle leiten sie ihre staatsrechtliche Stellung 
nur vom Volke und der von diesem gegebenen Verfassung her und 
12 So richtig LABAND, Staatsrecht (4). Bd. 2, S. 83 f.; JELLINEK, Gesetz 
und Verordnung, 8. 124, 126 f.; AnsScHÜTZ, Theorien (2), S. 133 — gegen ZORN, 
Staatsrecht (2) Bd. 1, 8.486 und in HırrHs Annalen, Jahrg. 1885, S. 313 ff.
	        
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