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durch gesetzliche Ermächtigung zu Verordnungen also bewußt
ausschließen will — diese Absicht des Verfassungsgesetzgebers
muß für jede Bestimmung besonders eruiert werden und kann
besonders auch nicht einfach überall da angenommen werden, wo
er eine Regelung „im Wege der Gesetzgebung“ verlangt. Aller-
dings ist es wohl das Nächstliegendgte, diesen Ausdruck dahin zu
verstehen, daß die Regelung der in Rede stehenden Materie durch
ein formelles Gesetz erfolgen soll. „Regelung im Wege der Ge-
setzgebung“ kann aber auch nur bedeuten wollen, daß die Regelung
„nicht ohne einen Akt der Gesetzgebung“ erfolgen darf. Dann
ist es dem Gesetzgeber überlassen, sie selbst vorzunehmen oder
durch Schaffung eines Verordnungsrechts „im Wege der Gesetz-
gebung“ der Regierung zu übertragen. 2. Speziell den Reichs-
gesetzgeber hielt man in der Befugnis, Verordnungsrechte zu
schaffen, beschränkt durch die in der Reichsverfassung vorgesehene
Kompetenzverteilung zwischen Reich und Einzelstaaten, indem ein
Verordnungsrecht, welches dieser widerstreitet, eben eine Ver-
fassungsänderung bedeutet hätte, die nicht im Wege der einfachen
Gesetzgebung vorgenommen werden konnte ?’. Nur einer der Theo-
retiker des vorrevolutionären Staatsrechts, V. ROENNE, hatte für
dieses eine abweichende Ansicht dahin aufgestellt, daß der Gesetz-
geber grundsätzlich nicht befugt sei, Gegenstände, die „an sich
und ihrer Natur nach“ dem Gebiet der Gesetzgebung angehören,
durch einfaches Gesetz auf den Verordnungsweg zu schieben, die
Befugnis Rechtsverordnungen zu erlassen vielmehr nur durch
verfassungsgesetzliche Ermächtigung geschaffen werden könne *®,
ROENNE ist aber mit dieser Ansicht überall auf Widerspruch ge-
stoßen, so daß die spätere Theorie sich mit ihr überhaupt nicht
27 Vgl. besonders HAENnEL, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1 S. 297 ff.
28 y, ROENNE, Staatsrecht der Preußischen Monarchie, 1. Aufl., Leipzig
1856 Bd. 1 S. 144 Anm. 2 und 3; 3, Aufl. 1872 Bd. 1, 18. 176; 4. Aufl.
1881 Bd. 1 8. 366 f£. DERSELBE, Staatsrecht des Deutschen Reiches, Leipzig
1877 Bd. 2, 18. 13 ff.
Archiv des öffentlichen Rechts. N. F. 6. Heft 2. 11