— 15 —
nach der jeweiligen Staats- und Rechtsanschauung nicht eine
ganze »Materie«, sondern bloß ein verhältnismäßig kleiner Aus-
schnitt aus einer solchen ist °°.“ — Allein kann man diese Grund-
sätze wirklich als vom Recht anerkannte Normen ansehen oder stellen
sie nicht vielmehr nur eine Lehrmeinung dar? Ein Beweis, daß
ihnen erstere Qualität eignet, ist nicht erbracht, ja nicht einmal
versucht. Wollte man aber annehmen, sie geben das geltende
Recht wieder, so würde diese Abgrenzung des Verordnungsrechtes
doch praktisch nur von sehr zweifelhaftem Werte sein. Allerdings
wäre die Delegationsbefugnis grundsätzlich nicht unbeschränkt,
aber die ihr gezogenen Grenzen wären doch nicht nur soweit, daß
sie dem freien Ermessen des Gesetzgebers den weitesten Spielraum
ließen, sondern auch dauernder Veränderung ausgesetzt, denn:
„Was gestern nur die einzelne Seite einer Angelegenheit war ...
kann heute eine große und wichtige, selbständige Materie sein.“
Für die Beantwortung der Frage, ob der Gesetzgeber im einzelnen
Fall durch Erteilung eines Verordnungsrechts die Ermessensgrenzen
überschritten hat, würde es also an einer sicheren Grundlage fehlen.
Und es würde zu großer Rechtsunsicherheit führen, wenn die
Gerichte diese Begrenzung der Delegationsbefugnis anerkennen,
gemäß der Aufforderung TRIEPELs, von ihrem Prüfungsrecht über
die Gültigkeit von Gesetz und Verordnung strikten Gebrauch machen
und jeder Verordnung die Anwendung versagen würden, die ihrer
Ansicht nach auf Grund einer Delegation erlassen ist, die sich als
#5 Noch weiter als TRIEPEL will POETZsoH das Gebiet der Rechtsver-
ordnungen einengen, der auf dem 32. deutschen Juristentag das Korreferat
über das oben Anm. 30 gen. Thema erstattet hat, indem er dem Er-
mächtigungsgesetz die Regelung des Gegenstandes in der Hauptsache
unbedingt vorbehalten und nur die ausführenden Einzelheiten der Ver-
ordnung überlassen wissen will, so daß „notwendig jede zulässige Rechts-
verordnung zur Ausführungsverordnung wird“ (Drucksachen der D. J.-T.
1922 S. 35, 57). Diese Gedanken PortzscHs fanden jedoch nicht die
Billigung des Juristentages (das. S. 53); vgl. auch WITTMAYER a. a. O.
8. 458.