Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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dort gemeinten »Gesetze« sind auch Gesetze im materiellen Sinne, 
also Rechtssätze, also Rechtsverordnungen — lege non distin- 
guente nec nostrum est distinguere“ °%®, Diese Argumentation ist in 
mehrfacher Beziehung unzutreffend. Zunächst handeln von der 
Publikation der Gesetze nicht die zitierten Art 71 und 61, welche 
ihr Inkrafttreten normieren, sondern die Art. 70 und 60. Diese 
aber verstehen unter Gesetzen zweifellos nur formelle Gesetze: 
nur diese können als „verfassungsmäßig zustande gekommene Ge- 
setze“ bezeichnet werden, nur die formellen Reichsgesetze werden 
von dem Reichspräsidenten ausgefertigt °°. Und ebenso wie diese 
Art. handeln auch die Art. 71 und 61, wenngleich sie einfach 
von „Reichsgesetzen“ oder „Gesetzen“ reden, nur von formellen 
Gesetzen — ordnen sie doch lediglich das Inkrafttreten der nach 
den Art. 70 und 60 publizierten Gesetze — wie denn überhaupt 
das Wort „Gesetz“ in dem ganzen von der Gesetzgebung handeln- 
den Abschnitt der Verfassungen nur im formellen Sinn gebraucht 
ist®®, Handelt der Gesetzgeber aber nur von dem formellen Ge- 
6* HATSCHEK, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, Bd. 2, Berlin 
1913 S. 125. 
66 Ebenso das Reichsgericht im Urteil v. 29. Oktober 1920 (Entschei- 
dungen in Strafsachen Bd. 55 S. 119). Die Meinung des Kammergerichts im 
Urteil des 1. Strafsenats v. 7. Oktober 1921 (Jur. Wochenschrift, Jahrg. 51, 
1922 S. 308), daß der Wortlaut des Art. 70 RV. nicht zu dieser Auslegung 
zwinge. Es sei „nicht einzusehen, warum nicht auch eine etwa auf Grund 
des Art. 48 RV. im Rahmen seiner Zuständigkeit erlassene Verordnung 
des Reichspräsidenten als ein verfassungsmäßig zustande gekommenes 
Gesetz gelten könnte“ — ist völlig unverständlich, wenn man beachtet wie 
Art. 68 Abs. 2 bestimmt, daß „die“ Reichsgesetze vom Reichstag beschlossen 
werden und wie Art. 70, wenn er unter Gesetzen auch die Rechtsver- 
ordnungen verstände, zum Teil etwas selbstverständliches zum Teil etwas 
unrichtiges aussagen würde; jenes nämlich insofern als er anordnen 
würde, daß der Reichspräsident die von ihm selbst erlassenen, dieses insofern 
er bestimmen würde, daß der Reichspräsident alle Rechtsverordnungen des 
Reiches auszufertigen hätte. 
6° Wenn man bei der Interpretation der den Art. 70 und 71 der 
jetzigen RV. entsprechenden Bestimmungen der RV. v. 1871: Satz 2 
und 3 des Art. 2 sich für die Behauptung, daß hier das Wort „Gesetze“
	        
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