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der allgemeinen Fassung desselben formell ermächtigt. Konstitutiv
wirkt diese Ermächtigung jedoch nur soweit sie auf Verordnungen
geht, die das Handeln von Landesbehörden regeln, denn Reichs-
behörden mit Instruktionen zu versehen, ist die Reichsregierung
ohnedies schon vermöge der ihr diesen gegenüber zustehenden
Dienstgewalt befugt. Allein mit den das Handeln der Landes-
behörden ordnenden Verwaltungsverordnungen beschäftigt sich aber
Satz 2 des Artikels, so daß der ganze Artikel nur für diese Ver-
waltungsverordnungen von Bedeutung ist. Auch diese Verwal-
tungsverordnungen wirken unmittelbar in dem Sinne, daß sie mit
ihrem Erlaß durch die Reichsregierung die Behörden binden, deren
Handeln sie ordnen. Während nach dem für Art. 77 vorbildlich
gewesenen Art. 7 Ziff. 2 der Reichsverfassung von 1871 dem
Bundesrat zwecks Sicherung einheitlicher Ausführung der Reichs-
gesetze in den Einzelstaaten nur ein „mittelbares“ Verordnungs-
recht eignete”®, so daß die von ihm beschlossenen allgemeinen
Verwaltungsvorschriften für die Landesbehörden erst in Kraft ge-
setzt werden mußten durch Dienstbefehle der Staatsregierungen,
eignet der Reichsregierung auf Grund des Art. 77 jetzt ein „un-
mittelbares* Verwaltungsverordnungsrecht. Eine „autoritative Zwi-
schenstellung* der Einzelstaaten ist hier entsprechend dem durch
die neue Verfassung gehenden unitarischen Zuge nicht mehr an-
erkannt: Das Reich „erläßt“’® an die Landesbehörden allgemeine
Verwaltungsvorschriften ebenso direkt wie an seine eigenen Be-
hörden.
Sachlich in engstem Zusammenhange mit Art. 77 steht Art. 15
Abs. 2, welcher bei Regelung der Reichsaufsicht bestimmt: „So-
weit die Reichsgesetze von den Landesbehörden auszuführen sind,
kann die Reichsregierung allgemeine Anweisungen erlassen.“ Auch
78 Vgl. HaAEnEL a. a. 0. 289 ff.; SeyDer, Kommentar zur RV. v. 1871 (2)
S. 142.
79 Vgl. dagegen Art. 7 Ziff. 2 RV. v. 1871: „der Bundesrat beschließt
über die... Verwaltungsvorschriften“ und dazu HAENKEL a. a. 0. S. 290.