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Es lag ein Notstand vor, und wenn der a. 43 den Staatsnotwendig-
keiten noch keine Rechnung trug, so hätte man durch vernünftige
Auslegung nachhelfen sollen. Die Franzosen hörten aber auf
bolschewistische Denunzianten, die bei der revolutionären Nach-
gärung ihren Weizen blühen sahen, und zeigten keine Lust, sich
mit der Reichsregierung ehrlich ins Benehmen zu setzen. Man
hatte beim Abschluß des VV. wohl nicht genügend beachtet, daß
militärfreie Zonen leicht ein Freibrief für das Verbrechertum werden
und für die innere Ruhe wie Dynamit wirken können. Aber die
französische Regierung war allen Gründen gegenüber taub. Statt
sich an die Haltung der Deutschen beim Pariser Kommuneaufstand
1871 zu erinnern, wo Deutschland dem französischen Notstand
vollkommen Rechnung trug, gefiel sich Frankreich in der Pose,
Deutschland bereite sich zum Einfall in Frankreich vor. Ich traue,
offen gesagt, den Franzosen weder die Dummheit noch die Angst
zu, Deutschland mit seinen paar Bataillonen, ohne Reserven und
Kriegspark, könne ihnen gefährlich werden. Aber sie berufen sich
auf den Wortlaut des Vertrages in der ständigen Angst, das Gewalt-
instrument könne durch Nachgiebigkeit an einer Stelle im weiteren
Umfang abgestumpft werden. Die „Independance Belge“ hatte aber
gar die Unverfrorenheit zu behaupten, in Frankfurt habe man sich mit
der Besetzung vollkommen abgefunden und stehe insbesondere den
belgischen Eindringlingen mit Wohlwollen gegenüber. Die Frank-
furter Zeitung hat hierauf damals die richtige Antwort gegeben.
Die französische Extratour fand in der 6. Woche am 17. Mai1920
ihr Ende. Maueranschläge verkündigten: „Die Franzosen halten
ihr Wort.“ Die Frankfurter aber meinten, „weil ihnen bei der
Haltung Englands nichts anderes übrig blieb“. Der Einfall in
den Maingau hatte übrigens ein Nachspiel.
Die Konferenz von San Remo erkannte ein Besetzungsrecht
nur für die Alliierten in ihrer Gesamtheit an. Das
bedeutete eine Verurteilung des französischen Standpunktes. Weiter
bekannte sich die Konferenz zu der Ansicht: