— 207 —
„Daß die durch die Verletzung des Friedensvertrages auf-
geworfenen Fragen und die zur Sicherstellung ihrer Ausführung
notwendigen Maßnahmen auf leichtere Art durch einen Meinungs-
austausch zwischen den Regierungschefs sichergestellt werden können
als durch Noten.“
Freilich kann nach dem VV., wie unsere Auslegung ergab,
auch die Gesamtheit der Alliierten kein neues Besetzungsrecht in
Anspruch nehmen und Deutschland hat deshalb ja auch das Spaer
Abkommen nur vorbehaltlich des a. 7 unterzeichnet, weil auch
dort wiederum mit einer Besetzung durch die Alliierten gedroht war,
aber die Verurteilung der französischen Sonderpolitik in San Remo
war immerhin ein erfreulicher Fortschritt.
Auch Chamberlain berichtete noch am 18. Mai 1922 von
einer Zusage, die Frankreich nach dem Rückzug aus Frankfurt
gegeben habe:
„Die französische Regierung wiederholte, daß sie bei inter-
nationalen Fragen, die durch die Ausführung des Friedensver-
trages aufgeworfen werden, nur in Uebereinstimmung mit ihren
Alliierten zu handeln beabsichtigt.“
Und nun doch wiederum ein eigenmächtiges französisches
Vorgehen, das den Grundlagen des VV. vollkommen zuwiderläuft.
Der Aufbau dieses Vertrags schließt nämlich jedes einseitige
Handeln aus. Nach dem VV. steht Deutschland immer lediglich
einer Gesamtheit gegenüber; keine Macht kann für sich allein
gegen Deutschland einen Anspruch erheben; sie muß sich vielmehr
an den Wiedergutmachungsausschuß wenden. Dieser ist nach $ 12
die alleinige Vertretung der Gesamtheit der für das Reparations-
geschäft maßgebenden Regierungen. Was für die Ansprucherhebung
gilt, muß auch für die Durchführung gelteu. Man sieht den Grund
leicht ein. Es könnte sonst ein einzelner Alliierter einseitig und
gegen den Willen der anderen Handlungen gegen Deutschland
unternehmen, die, wie das für die Ruhrbesetzung tatsächlich zu-
trifft, die Wiedergutmachungsfähigkeit Deutschlands zum Schaden