Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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kenntnis, die bereits bei Trıeren?” und BÜHLER? anklingt und von 
THomA° verdienstvollerweise zum erstenmal scharf formuliert worden 
ist, sollte in der Tat allmählich wissenschaftliches Gemeingut werden. 
Bereitet sie doch dem befreienden Weitblick den Weg, der aus der 
Enge der logisch-dogmatischen Verkleidung des Problems herausführt. 
Die Frage nach der richterlichen Prüfungszustän- 
digkeit ist letzten Endes keine Rechtsfrage, son- 
dern eine Frage des Vertrauens — des Vertrauens einerseits 
zur Dynamik der Verfassung, andererseits zum ordentlichen Richter. 
THoMmA verneint unter diesem Gesichtspunkt die richterliche Prüfungszu- 
ständigkeit”°; nach seiner Auffassung kann die RV. auf den richterlichen 
Schutz verzichten. Indessen übersieht er — worauf mit Recht TRrIEPET, 
hinweist ® —, daß die verfassungsmäßigen Mittel, die den Ländern im 
Kampfe gegen das Zustandekommen verfassungswidriger Reichsgesetze 
zu Gebote stehen, dann versagen, wenn das durch das verfassungs- 
widrige Reichsgesetz bedrohte Land schon innerhalb des Reichsrats 
majorisiert wird oder der Reichsrat auf die allgewaltige Einheitsfront: 
Reichstag — Reichspräsident — Volk trifft (Artt. 72—76 RV.). Selbst 
aber hiervon abgesehen bleibt die Grundfrage doch die, ob eine Rechts- 
norm — und sei es selbst die Verfassung — an sich ein so uner- 
schütterliches Vertrauen verdient. Zwar wird man der Verteilung der 
Gewalten beim Gesetzgebungsvorgang im Werke Pr£uss’ sicherlich 
a priori kein „Mißtrauen“ entgegenbringen dürfen — mag man auch 
die Weimarer RV. vom juristischen Standpunkt bewerten, wie man 
will?”", Andererseits ist der Glaube an die unbedingte Zuverlässigkeit 
des Ventilationssystems in der RV. ebenso nur metaphysisch begründet 
wie der eines &roTius an ein rational zu ermittelndes absolut wahres 
und richtiges Recht. Selbst die „beste Verfassung“ ist Satzung von 
Menschenhand und als solche erdgebunden. Es würde also das Vor- 
handensein schwerwiegender Gründe voraussetzen, um leichten Herzens 
auf den „wichtigsten Schutz der bürgerlichen Freiheit“, die Prüfungs- 
2? Der Weg der Gesetzgebung nach der neuen RV., im Arch. öff. R. 
Bd. 39 S. 537 u. a. a. O. S. 92 Anm. 2. 
2° DJZ. 1921, Sp. 581. 
?* A. a. O. S. 270 u. 272. 
25 A. a. O. S. 285 u, 286. 2° A. a.0. S. 92. 
27 Vgl. TRIEPEL a.a, O. S. 457 ff.; NawıAsKY, Die Grundgedanken der 
Reichsverfassung S. 7. 
32 'TRIEPEL a. a. O. S. 537; vgl. auch BOHLER a. a. O. Sp. 581.
	        
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