Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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zuständigkeit des Richters, verzichten zu können ®, Solche Gründe 
nennt aber — abgesehen von einer angeblichen deutschen Tradition 
— selbst TuomA nicht ®. Ueberdies sollte auch nicht völlig übersehen 
werden, daß der Richter im Staate der einzige unabhängige Fachmann 
ex officio®! ist, wobei endlich mit dem seltsamen Schreckgespenst auf- 
zuräumen wäre, daß bei Bejahung der richterlichen Prüfungszuständig- 
keit der Richter über den Gesetzgeber gestellt würde. Bedarf es doch 
nur eines legislatorischen Federstrichs, um die richterliche Gewalt in 
ihre Schranken zu verweisen ?l:! 
Bislang ist dies jedenfalls noch nicht geschehen. Davon legt die 
deutsche Rechtsprechung beredtes Zeugnis ab. Zwar behauptet TaomA°”, 
daß „faktisch die deutschen Gerichtshöfe aller Art bis in die neueste 
Zeit ausnahmslos abgelehnt [haben], ein formell korrektes Reichs- oder 
Landesgesetz auf seine materielle Verfassungsmäßigkeit zu prüfen“. 
Allein dieser Satz dürfte wohl kaum den Sachverhalt richtig wieder- 
geben. Im Gegenteil fällt es schwer, Beispiele aus der Rechtsprechung 
dafür heranzuziehen, daß ein deutsches Gericht seine Entscheidung 
einzig und allein darauf stützte, daß ihm die Prüfungszuständigkeit 
mangele®®. Was diese Ziuständigkeit hinsichtlich der Frage anlangt, 
ob ein Landesgesetz durch Reichsrecht gebrochen worden sei, so herrscht 
sowohl in der Theorie wie in der Praxis — wie im Gegensatz zu THomA 
  
— 
28 So muß die Fragestellung lauten; vgl. auch TrIıEPEL a. a. O. S. 92 
Anm. 2. 
3° Vielmehr hält er mit Recht die Befürchtungen LEnELs (Ueber die 
Reichsverfassung S. 30 ff.) für „weit übertrieben“; vgl. a. a. O. S. 275 
Anm. 7. 
® Nicht ohne Grund betont KOELLREUTER (Das parlamentarische 
System in den deutschen Landesverfassungen S. 6), daß der Reichspräsident 
durch das Institut der Gegenzeichnung „an die Regierung gekettet“ ist 
die wiederum Parlaments-, d. h. Majoritätsausschuß zu sein pflegt. Hier 
kann von einer wahren Unabhängigkeit nicht die Rede sein. — Ueber die 
Bedenken gegen die Einsetzung des Parlaments zum Richter in der be- 
handelten Frage vgl. schon BisMmArck, Gedanken und Erinnerungen II. Bd. 
S. 802. — Vgl. zum Text auch. BÜHLER a. a. O. Sp. 581. 
®1® Als Beispiele für die in der RV. vermiedene gesetzgeberische Rege- 
lung der richterlicheu Prüfungszuständigkeit: Art. 106 pr. Verf. v. 31. Jan. 
1850; $ 72 bayr. Verf. v. 14. Aug. 1919. 
e2 A. a. 0. S. 273. 
s® Ein Beispiel für die parenthetische Behandlung der Frage: Pr. 
OVG@. 63, 170.
	        
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