Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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Es steht dieser Gemeinde dasselbe Recht zu, wie z.B. der Landeskirche 
Reuß ä, L., die auch aus Bekenntnisgründen den Anschluß an die 
Thüringer Kirche nicht mitgemacht hat. Wenn die thür. Kirchen- 
regierung in ihrer gutachtlichen Aeußerung vom 16. August 1922 an- 
scheinend den Standpunkt vertreten will, daß Gemeinden, da sie „nur 
Rechtsgebilde, Fiktionen ohne Gewissen seien, gar nicht im Bekennt- 
nisstand vergewaltigt werden können, sondern nur einzelne Menschen 
von Fleisch und Blut“, so scheinen mir diese Aeußerungen gerade auch 
vom kirchlichen Standpunkte aus sehr bedenklich zu sein. Sie ver- 
kennen m. E. den wichtigen Gesichtspunkt, auf den BREDT neuerdings 
hingewiesen hat, daß man die Kirche im juristischen und im religiösen 
Sinne, daß man Zweckverband und Bekenntniskirche nicht trennen 
kann, wenn die erstere nicht zu einem reinen Leerlauf werden soll. 
„Die Bürokratie sieht in der Kirche nur die öffentlich-rechtliche Kor- 
poration“ ®. „Die Kirche im religiösen und juristischen Sinn muß zu 
einer inneren Einheit verschmolzen werden, die öffentlich-rechtliche 
Korporation darf nicht mehr sein als die Schale, die den rechten In- 
halt birgt, nämlich die „Kirche“ *#, 
Das kirchliche Genossenschaftsrecht, also die Bildung und der 
Aufenthalt im Verbande einer Kirche ist heute nur noch unter Gleich- 
gesinnten möglich. Und so sehr zu wünschen ist, daß möglichste Ge- 
schlossenheit in der evangelischen Kirche herrscht, so darf doch in 
dieser Beziehung keinerlei Zwang ausgeübt werden, der einmal den 
Grundsätzen evangelischer Freiheit widerspricht, zweitens aber auch 
gar nicht mehr möglich ist, da der Staat dazu seinen Arm nicht mehr 
leihen darf. 
Ergibt sich so die Folgerung, daß die Thüringer Kirche weder 
das Recht noch auch die Möglichkeit hat, Gemeinden, die den Anschluß 
an sie verweigern, sich zwangsweise anzuschließen, so bleibt noch die 
Frage zu beantworten, welche vermögensrechtlichen Folgerungen sich 
daraus ergeben. 
Nach Rudolstädter Recht besaßen und besitzen nun sowohl die 
Kirchengemeinden wie die Pfründen und sonstigen kirchlichen An- 
stalten Rechtspersönlichkeit und damit auch Vermögensfähigkeit. Im 
einzelnen liegen die Verhältnisse anscheinend verschieden. In unserm 
Fall ist es die Pfarrei, der die den Anschluß verweigernden Ge- 
22 BREDT a. a. O. S. 724. 
23 BREDT a. a. O. S. 725.
	        
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