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keit und die Bedingungen des Austritts von Kirchengemeinden aus
einer Kirche regelt. Denn Wesen und innere Organisation der Kirche
bleiben von einer derartigen Regelung unberührt. In dieser Beziehung
liegt der Fall m. E. nicht anders, als wenn der Staat den Austritt
Einzelner aus der Kirche staatgesetzlich geregelt hat. Auch diese
Regelung ist ein Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung des Ver-
hältnisses von Staat und Kirche und der Eigenschaft der letzteren als
öffentlich-rechtlicher Korporation. Es besteht aber kein Anlaß, die
Gültigkeit der neuen Kirchenaustrittsgesetze in den Ländern (Preußisches
Gresetz betreffend den Austritt aus den Religionsgesellschaften des öffent-
lichen Rechts vom 30. Nov. 1920 (GS. 1921 S. 119), thüringisches
Kirchenaustrittsgesetz vom 8. Juli 1922 (GS. 1922 8. 338) vom Stand-
punkte der Reichsverfassung aus, irgendwie in Zweifel zu ziehen.
Zwweifellos, weder kann der Einzelne aus einer politischen Gemeinde
austreten ®!, noch kann die politische Gemeinde selbst aus dem Staate
austreten. Denn die Gemeinden sind dem Staate eingegliedert, sie
üben Staatstätigkeit wenn auch in mittelbaren Formen aus. Die
Kirchen sind heute dem Staate nicht mehr ein- sondern nebengegliedert,
sie sind nicht mehr Teil seines Wesens. Der Staat kann deshalb
generell den Austritt aus der Kirche regeln, ohne daß sein Wesen und
seine Existenz in Frage gestellt wird. Er ist nur, soweit eine ver-
mögensrechtliche Regelung dabei in Frage kommt, verpflichtet, seiner
Schutzpflicht, die ihm allen öffentlichen Verbänden gegenüber obliegt,
eingedenk zu sein und muß die Verwendung des Vermögens für kirch-
liche Zwecke sicherstellen ®2,
„Wer den guten Tropfen genießt, genießt auch den schlechten“.
Es ist nicht möglich, daß die Kirchen aus ihrer öffentlich-recht-
lichen Korporationsstellung nur Rechte herleiten, ohne die Pflichten,
die sich aus ihrer privilegierten Stellung ergeben, mitzuübernehmen.
Wären die Kirchen Privatkorporationen, so würden sich diese Fragen
allein nach Privatrecht regeln®. Da sie öftentliche Korporationen
sı Vgl. oben S. 231.
»2 Vgl. dafür auch das Verfahren bei der Trennung von Staat und
Kirche in Wales, Jahrb. des öff. Rechts Bd. 11, 1922, S. 132.
®® „Der Austritt aus einer Religionsgemeinschaft nicht öffentlichen
Rechts ist nach den gemeinrechtlichen Grundsätzen des privaten Vereins-
rechts zu beurteilen (HATSCHER, Deutsches und preußisches Staatsrecht,
1922, Bd. 1, S. 225).