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sind, muß der Staat diese Fragen, soweit sie dem öffentlichen
Korporationsrechte angehören, regeln können. Die evangelischen
Kirchen sind heute keine Staatskirchen mehr, für die der Staat,
der ja nach heutigem Recht kein christlicher Staat mehr ist, zu
sorgen hätte. Die Kirchen stehen heute allein auf eigenen Füßen,
die Rolle des Staates als advocatus ecclesiae ist ausgespielt. Wenn
der Staat durch Staatsgesetz dafür sorgt, daß Minderheiten und aus-
tretenden Gemeinden kirchliche und vermögensrechtliche Rechte ge-
wahrt bleiben, so mischt er sich damit in keiner Weise in inneres
Kirchenrecht ein, sondern sorgt nur dafür, daß der Grundsatz der
Trennung von Staat und Kirche durchgeführt wird, ohne daß das
Selbstverwaltungsrecht der Kirchen und ihre Stellung als öffentlich-
rechtliche Korporation dadurch angetastet würde. Mehr können
aber die Kirchen nach heutigem Rechte vom Staat nicht mehr fordern,
abgesehen natürlich von den besonderen Bestimmungen der Art. 138.
der Reichsverfassung. Ich muß daher die Möglichkeit einer derartigen
Gesetzgebung bejahen.
Eine derartige Gesetzgebung gehört m. E. zu den von BREDT
erwähnten „Normativbestimmungen, innerhalb deren die Kirche ihre
Freiheit hat“ ®%,
Zuzustimmen ist ScHön, wenn er dazu ausführt:
„Muß sonach angenommen werden, daß grundsätzlich die Staaten
auch nach Erlaß der Reichsverfassung eine besondere Aufsicht über
die Kirchen haben müssen, welches übrigens auch die Auffassung der
Länder ist, so erhebt sich weiter die Frage nach dem notwendigen
oder möglichen Inhalt derselben, die in der Praxis für jedes Land
gemäß Abs. 8 des Artikels 137 durch die Landesgesetzgebung zu
lösen ist und für die evangelische Kirche verschiedener Länder über-
haupt oder doch wenigstens bis in die Einzelheiten zum ersten Male
gelöst werden muß, indem ihr gegenüber hier, solange das landes-
rechtliche Kirchenregiment bestand, kein Bedürfnis oder kein Raum
für eine eingehende Ordnung der Kirchenhoheit war. Der Erlaß der
Landesgesetze wird zweckmäßig nur aufGrundvonVerein-
barungen zwischen dem Staate und den kirchlichen
OÖrganenerfolgen können, denn nurim Einvernehmen
mit diesen ist eine friedliche schiedliche Lösung
des schwierigen Problems zu erhoffen. Die Frage, wie
34 BREDT a. a. O. S. 222.