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wird nicht „als ein der Seinswelt augehöriges Faktum, sondern als eine
Summe von rechtlich relevanten Handlungen, und zwar von Staatsakten
qualifiziert“ (S. 107). „Die Untersuchung kann ja stets bloß darauf hinaus-
laufen, ob irgendein Organ die lokale Kompetenz besitzt oder nicht“, „ist
einmal die lokale Kompetenz festgestellt, dann ist der Fall für den Juristen
erledigt“ (S. 109). Der besetzende Staat schafft sich eine große Zahl lokaler
Kompetenzen, teils durch Schaffung eines im Besetzungsgebiet kompetenten
Verwaltungsapparats ad hoc, teils durch Uebernahme des Verwaltungsappa-
rats des besetzten Staates (S. 110). Weniger einfach ist auch für den Ver-
fasser die Rechtslage des besetzten Staates. „Es ist ganz denkbar, daß
sich im Rechtssystem des besetzten Staates einfach keine Normen vorfinden,
die eine Besetzung durch die feindliche Heeresmacht als Rechtszustand er-
scheinen lassen. Dann ist alles, was der Feind im Inland tut, schlechthin,
Unrecht und das Problem verliert unter Bezugnahme auf die Rechtsordnung
des Okkupaten jeden Sinn* (S. 111). Der Krieg ist für den Verfasser „als
Rechtshandlung bereits dann gesichert, wenn jeder Staat seinen eigenen
Krieg als solchen auffaßt. In 2 Systeme gleichzeitig kann sich die juristische
Konstruktion ohnehin nicht begeben und es bliebe unter dieser Voraus-
setzung eben nichts anders übrig, als die Divergenz der Rechtsordnungen
zu konstatieren und sich damit zu begnügen, daß der einen Recht ist, was
der andern als Unrecht erscheint“ (S. 108). All diese Konstatierungen sind
vom Standpunkte der vom Verfasser befolgten Methode aus ebenso richtig,
als sie m. E. unfruchtbar sind. Der Verfasser muß zu diesen negativen
rein formellen Resultaten um so mehr kommen, als er das Aushilfsmittel
KELSENs verschmäht, der durch seine Lehre vom Primat der Völkerrechts-
ordnung über den staatsrechtlichen Rechtsordnungen die Einheit der Rechts-
ordnung aufrechterhält, freilich nicht unter recht heftigen Entgleisungen
in die Welt des Seins. HEnRıcHn geht dagegen vom Primat der einzel-
staatlichen Rechtsordnung aus (S. 43), so daß sich die lokalen Kompetenzen
der Staatsperson natürlich nur immer innerhalb der einzelnen Rechtsordnung
bewegen können. Es ist nur konsequent, wenn er dabei immer wieder er-
klärt, daß vom Standpunkte seiner Methode aus eben über die einzelnen
Probleme auch nicht mehr ausgesagt werden kann. Und so kann man
auch seiner Warnung vor einer Konfundierung der explikativen mit der
normativen Methode nur ganz beistimmen, ohne daß man dabei aber die
Berechtigung der ersteren zu leugnen braucht.
Aber hier zeigt sich beim Verfasser auch etwas, die Neigung, seine
Methode als die allein seligmachende zu bezeichnen, zum mindesten für den
„Juristen“. Sicher wird vom Standpunkte der normativen „Methode aus
juristisch nicht das geringste ausgesagt, wenn man den Staat als eine Ge-
waltorganisation, als ein soziologisch wirksames Machtphänomen hinstellen
zu müssen glaubt (sic!..“ Und wenn der Verfasser an derselben Stelle
weiter hinzufügt, daß „die Eliminierung des Gewaltelements aus dem herr-