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schenden Staatsbegriff eine Sache für sich sei® (S. 24), so zeigt sich darin
eine Gereiztheit des Verfassers diesen Begriffen gegenüber, die mir unbe-
rechtigt erscheint, weil ja die Methode des Verfassers dadurch gar nicht
berührt wird. Wenn der Verfasser an anderer Stelle (S. 45) den Staat als
Macht oder Gewalt ablehnt, so bezeichnet KJELLEN (Grundriß zu einem
System der Politik, 1920, S. 24) die Gleichstellung von Macht mit Gewalt
scharf aber nicht unberechtigt als Betrug, mit dem man die sogenannte
„Machtlehre“ oder „Machtphilosophie“ treffen wolle. Wieder an anderer
Stelle sagt der Verfasser: „Die Auffassung des Staates als Organismus ist
aber alles andere, nur keine Rechtswissenschaft“ (S. 110). Von seinem
Standpunkte aus sicher richtig, nur wird dadurch an sich gegen den Wert
der Organismustheorie gar nichts ausgesagt. Der Verfasser will sie aber
treffen, wenn er fortfährt: „Geht man vorurteilslos (sic!) an das Pro-
blem heran, dann erweist sich auch das vom Feind besetzte Gebiet als
nichts anderes als ein Bündel exzeptioneller lokaler Kompetenzen von Staats-
organen.“ Wenn der Verfasser sich mit dieser Feststellung begnügt und
von seinem Standpunkte aus muß er das, soll ihm das nicht verwehrt
werden. Warum aber dann eine andere Betrachtungsweise verketzern, die
in den magischen Kreis der reinen Rechtslehre gar nicht einzudringen sucht,
allerdings aber über die Sterilität ihrer Ergebnisse sich auch keinen Illu-
sionen hingibt. Zweifellos kann derjenige, der in der Theorie KELSENs die
einzige „juristische Methode“ sieht, konsequenterweise die Grenzen dieser
Methode auch nicht überspringen, ohne sich selbst untreu zu werden. Und
in der konsequenten Durchführung dieses Rechtsformalismus liegt auch das
große Verdienst der KELsenschen Schule, wie auch ihr scharfer Gegner
Erich KAUFMANN anerkennt (Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie
S. 79). Man hat auch das Gefühl, daß der Verfasser seine Theorie auch
nicht gegen alle Angriffe gefeit weiß. Zwar erklärt er (S. 27): „Die Welt
des Rechts ist in allem und jedem eine Welt des Sollens und wer Seins-
elemente hineinträgt, verfälscht sie.“ Aber auch ihm scheinen die Einwände
Erich KAUFMANNs beachtenswert und es ist schade, daß er auf sie nicht
weiter eingeht (S, 27, Anm. 2).
Das Buch ist jedenfalls eine gute methodische Leistung. Es zwingt
einem sich wieder über ein wichtiges Problem der Staatslehre Rechenschaft
abzulegen und dafür müssen wir dem Verfasser dankbar sein.
Koellreutter.
Dr. Leo Epstein, Studienausgabe der Verfassungsgesetze
der Tschechoslowakischen Republik, Verlag von Ge-
brüder Stiepel, Reichenberg 1923, 685 S.
Mehr noch als für die Erkenntnis des Verfassungsrechtes anderer Staaten
ist für die Erkenntnis des Verfassungsrechtes der Tschechoslowakischen