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grade diese Erscheinungen verehrten und zumal auch rechtlich
bevorzugten, ist in den vorerwähnten neueren Sondergesetzen eine
gewisse Scheu vor ihnen, wenigstens vor ihrer zu weitgehen-
den Zulassung zu einer Ausnahmestellung, deutlich zu spüren.
Man würde den Gesetzgebern unrecht tun, wollte man diese Ten-
denz lediglich aus dem grob materiellen Beweggrunde des Fiska-
lismus verstehen. Ein Umschwung des Rechts, ja über sie hinaus,
der das Volksleben im allgemeinen angehenden Anschauungen
kommt darin zur Geltung oder bahnt sich doch an. Noch stärker
prägt sich die Abkehr von Ueberkommenem, — das Werden neuer
juristischer Vorstellungen in dem Mühen der beiden höchsten Ge-
richtshöfe, des Reichsgerichts und des Kammergerichts?, um die
zutreffende, jenen Gesetzesbestimmungen entsprechende begriffliche
Abgrenzung aus. Mehr negativ, vielleicht nur erst im Unter-
bewußtsein, vollzieht sich bei ıhnen an diesem einen Punkte eine
Umstellung wesentlich allgemeinerer Begriffe und Anschauungen:
in ihr liegt auch das eigentliche, unbestreitbare Verdienst dieses
höchstrichterlichen Ringens mit in der Umformung befindlichen
Größen des Rechtslebens. Die positive Lösung, welche die beiden
Gerichtshöfe für die Frage: welche Stiftungen sind „milde“?
gefunden, dürfte kaum ungeteilte Anerkennung verdienen. Sie
erblicken das „unterscheidende Merkmal“ (wie das Reichsgericht),
® Die wichtigsten Entscheidungen des R.Ger.s sind wohl: die im J.Min.Bl.
von 1891 (S. 24 ff.), 1893 (S. 311) und 1899 (S. 168) abgedruckten, welche
alle den Begriff im Hinblick auf das Erbsch.Steuerges. prüfen und
maßgeblich festzustellen bestimmt sind, sowie ferner die in Gruchots Bei-
trägen Bd. 386 S. 1103 veröffentlichte (im Texte noch mehrfach besonders
hervorgehoben) und aus neuerer Zeit die Entscheidung Bd. 80 (der offiziellen
Sammlung) S. 145 ff.; aus der Rechtsprechung des Kammergerichts sind
wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung an erster Stelle die in Bd. 27
B. 37, 38 A. 98, sowie die etwas älteren im 27. Bde. (B. S. 64) und vornehmlich
im 28. Bd. (B. S. 4) zu nennen. Daß (fast) alle diese Entscheidungen auf
dem Boden von Gesetzen ergangen sind, welche mindestens in derselben
Gestalt heute nicht mehr in Geltung stehen, ist für den Zusammenhang
unserer Betrachtung ohne innere Bedeutung.