Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

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zung Hilfsbedürftiger“ seinen bestimmten und bestim- 
menden, festen, d. h. unveränderlichen Inhalt gaben, das Kammer- 
gericht und das Reichsgericht, geglaubt haben, hier unmittelbar 
aus dem Volksbewußtsein zu schöpfen, in ihm eine positive Stütze 
für diese Abgrenzung zu besitzen, darf mindestens stark bezweifelt 
werden; selbst, wenn man nicht so weit gehen will, zu unterstellen, 
daß sie eine Abweichung, ja sogar Abkehr von dieser Richtschnur 
geradezu erkannt und gewollt haben. Tatsächlich ist dem allge- 
meinen Rechts gefühle diese höchstrichterlich, nicht ohne offen- 
kundige Mühe, gesuchte und gefundene Definition der milden Stif- 
tungen sicher nicht geläufig. Ihm entspricht vielmehr eine sehr 
viel weitere Grenzziehung, welche zahlreiche von jener Recht- 
sprechung ausgesperrte Lebenserscheinungen in das bevorzugte 
Gebiet einbezieht. Vornehmlich die so peinlich, fast kleinlich 
gesuchte Unterscheidung der milden von den (bloß!) „wohltätigen“ 
Stiftungen hat auf Volkstümlichkeit keinen Anspruch. Denn 
letztere wird immer einer Rechtsanschauung versagt bleiben, welche 
sich — im Ergebnisse — wichtigen Bedürfnissen und Interessen 
des Volkes verschließt in dem Bestreben, gewisse Normen „strikt“ 
auszulegen und anzuwenden, nur um einer anscheinend unabweis- 
baren Pflicht gegen die Rechtsordnung und deren höchste Leitsätze 
zu genügen. Das „Volk“ ist geneigt, solche formalrechtlichen 
Folgerungen abzulehnen und seine eigenen „Rechtsbegriffe* und 
-grundsätze aus dem Werte herzuleiten oder ihm doch anzupassen, 
welche für sein Dasein die einzelnen Institutionen haben. Es liegt 
auf der Hand, daß für die Stiftungen diese Erfahrungstatsache 
besondere Geltung beanspruchen darf und hat. Denn sie sind 
ihrer Grundanlage nach eine für das Wohl der Allgemeinheit 
bestimmte Einrichtung '*. Daher kann nicht ausbleiben, daß diese 
selbst auch die auf sie bezüglichen Begriffe nach dem hier- 
18 Deber die dogmatischen Einwände, welchen die Unterscheidung der 
„Satzung oder sonstigen Verfassung“ (!) ausgesetzt ist, vgl. ebenfalls meine 
ob. — Note * und 2 genannte Abh. bes. S. 203 (Not. 72).
	        
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