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fachen „volkstümlichen“ Betrachtungsweise sich entfernt und auf
der Grundlage mehr von außen hergeholter Erfordernisse einen
besonderen Begriff der milden Stiftung abgrenzt, der mit jener
keineswegs übereinstimmt, ja zu ihr fast im Widerspruch steht.
Aus der geschichtlichen Entwickelung ist ein Grund dieser
Art, zumal ein zwingender Grund durchaus nicht ohne weiteres
zu entnehmen. Am wenigsten dann, wenn wir die „milden“ Stif-
tungen an die piae causae des Römischen und älteren Gemeinen
Rechts unmittelbar anknüpfen“. Denn die „Kirche“ war, soweit
nicht die Pflege der rein geistlichen Angelegenheiten, der spiritualia
in Betracht kam, also in ihrer Beziehung auf die Menschheit (als
solche), von je eine Kultur bringerin und -förderin ersten Ranges
und daher auch stets geneigt, die Einzelunternehmungen beson-
ders zu begünstigen und in Schutz zu nehmen, welche in der
Richtung dieser ihr eigenen Mission zu wirken die Anlage hatten.
— Glaubt man aber mit der Notwendigkeit, „Rechtswohltaten*
wie die Befreiung von gewissen Kosten, Stempeln, Steuern usw.,
auf einen möglichst knapp und klar umschriebenen Kreis einzu-
engen, also mit dem alten Axiom, daß „Privilegien strikte zu
interpretieren“ seien, jene Rechtsprechung der Gegenwart begrün-
den zu können und zu sollen, so wird ihr — gerade um des-
willen — allgemeine Anerkennung ganz gewiß nicht zuteil
werden. Mit diesem „Fiskalismus“ wird eine Selbstsucht des
Staates gutgeheißen, ja unmittelbar zur Tat auf Kosten letzter
und höchster allgemeiner Kulturziele, deren Dienste doch ge-
rade der Staat sich stets willig und uneingeschränkt unterordnen
sollte. Das mag an einigen konkreten Beispielen noch klarer
werden. Man denke, daß jemand eine Stiftung errichtet zum
Besten der Erbauung möglichst heller und luftiger Schulräume zu
dem Eindzwecke der vorbeugenden Bekämpfung von Augen- und
sonstigen Erkrankungen der heranwachsenden Jugend oder andrer-
14 Vgl. dazu allgemein aus der römisch-rechtlichen Literatur nur WIND-
SCHEID Band I $ 57 N. 5.