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an das vom Kammergericht aufgestellte Erfordernis, sich dahin
bekennt, daß die „Hilfsbedürftigkeit nicht notwendig in mate-
rieller Not ihren Grund haben müsse“, vielmehr „unter mil-
den Stiftungen diejenigen Veranstaltungen, die wohltätige
Zwecke im weitesten Sinne des Wortes zu erfüllen bestimmt
von den „milden Stiftungen“ seien ausgeschlossen „solche Anstalten, die,
wenn auch in hohem Grade gemeinnützig wirkend!, sich nicht die
Unterstützung hilfsbedürftiger Personen zur Aufgabe machen‘!) in ab-
lehnenden Gegensatz tritt und im Vergleich zu ihr durch Weite und Frei-
heit der Anschauung geradezu erquickend wirkt. Die im Texte hervor-
gehobenen Worte, welche auch die letztgenannte Entsch. selbst im Sperr-
druck enthält, sollen wohl die erklärte Absage an jene anderen höch-
sten Gerichtshöfe bedeuten. Neuerdings hat leider das Ob.Verw.Ger. —
Entsch. Bd. 53 S. 154 ff. (Urt. v. 22. Sept. 1908) — auf diesem Wege wie-
der einen sehr bedeutenden und bedauerlichen Schritt rückwärts gemacht;
es stellt die (nur!) der „sozialen Wohlfahrtspflege“ dienenden zu den
eine „Wohltätigkeit“ ausübenden und durch sie „Hilfe“ bringenden
Unternehmen in scharfen antithetischen („begrifflichen“) Gegensatz, rechnet
den letzteren allein die Veranstaltungen zu, welche eine „Mildtätigkeit
oder caritas“ mittels „Beseitigung oder Milderung vorhandener Not durch
schenkungsweise gegebene Zuwendungen“ betätigen, und schließt die
ersteren, denen am Schlusse, nur mehr platonisch, die recht vage Anerkennung
— nicht mehr — zuteil wird, daß sie, „in hohem Grade gemeinnützig“
sind, von gewissen sehr wesentlichen Wohltaten der „milden Stiftungen‘,
vor allem der Befreiung von der Gemeindeeinkommen steuer vom Grund-
besitze aus. Die früheren, in der begrifflichen Tendenz hiervon unzweifel-
haft abweichenden Entscheidungen sucht es, durch die Ausführung mit
diesem Standpunkte rechtfertigend in Einklang zu bringen, daß in jenen
nicht die Wertung der Veranstaltungen als solcher eine andere, sondern
nur der Begriff des Zweckes, welchem die Veranstaltung gelte, — und auch
dieses mehr dem Ausdruck nach — nicht ganz ebenso, nämlich weiter und
freier gefaßt sei. Das Uebel, welchem durch die „Mildtätigkeit“ gesteuert
werden solle, sei dort nicht auf die Fälle der eigentlichen Verarmung, der
materiellen, unmittelbar fühl- und erkennbaren „Not“ (das Ob.Verw.Ger
sagt: „der wirtschaftlichen Not im engsten Sinne“) beschränkt, sondern
auf Fälle einer mehr nur „sozialen® oder „kulturellen“ Not ausgedehnt
worden. Unverkennbar ist dies aber ein Verlassen des in den früheren
Entscheidungen eingenommenen Standpunkts. Das tritt durch die recht
gewundenen Versuche der Vereinbarung mit der früheren eigenen Recht-
sprechung des Ob.Verw.Ger.s nur noch schärfer in Erscheinung.