— 3l4 —
finanzhof mit seiner Meinung, der Einspruch des Reiches richte sich
nur gegen Entwürfe von Steuerordnungen der Unterverbände und
lasse die Rechtsgültigkeit dieser Ordnungen auf jeden Fall unberührt,
damals das Richtige getroffen hat, unterliegt m. E. starken Bedenken ®;
es dürfte aber überflüssig sein, diese heute noch ausführlich darzu-
legen, denn das Finanzausgleichgesetz hat jedenfalls dem Einspruch
des Reiches diejenige Bedeutung beigelegt, die der RFH. schon damals
de lege lata voraussetzte; dabei mag dahingestellt bleiben, ob die
Novelle nur den bisherigen Rechtszustand zweifelsfrei klarstellen oder
eine neue, den Interessen der Länder besser Rechnung tragende Rechts-
lage herbeiführen wollte Nach 85 des Fin. Ausgl.Ges. ist die Reichs-
aufsicht gegenüber grundsätzlich neuen Steuerordnungen der Gemein-
den heute zunächst nur präventiv: vor dem Erlaß (bzw. der Ge-
nehmigung durch die Landesbehörde) steht dem Reiche ein befristetes
Einspruchsrecht zu, dessen Ausübung zunächst Einigungsverhandlungen
und (falls diese binnen Monatsfrist kein Ergebnis zeitigen) alsdann
eine bindende Entscheidung des RFH. bzw. des Reichsrats herbei-
führt. Das Verfahren zur Erledigung des Einspruchs vor der Ent-
scheidungsinstanz läßt aber die Rechtsbeständigkeit inzwischen u. U.
in Kraft gesetzten Steuerordnung unberührt. Neu und bedeutsam ist
an dieser Regelung vor allem, daß hier eine fachkundige gerichtliche
Instanz darüber bindend entscheiden soll, ob ein Gesetzesentwurf,
für den Fall, daß er Gesetz wird, mit dem Reichsrecht vereinbar sein
2 Der Senat verkennt m. E. den wesentlichen Unterschied zwischen
dem unbefristeten Zustimmungsrecht des Reiches zu neuen Steuer-
ordnungen der Unterverbände (das der Entwurf des Landessteuergesetzes
vorsah) und dem befristeten Einspruchsrecht (das nachher Gesetz
geworden ist); ersteres setzte in jedem Fall Aktivität der Reichsregierung
voraus, letzteres wurde bei passivem Verhalten binnen Monatsfrist hinfällig.
Das ist nicht „genau die gleiche Folge“, kein „Spiel mit Worten‘ (S. 283).
Es ist auch nicht richtig, daß es an einer Instanz gefehlt hätte, welche
die Streitigkeit, ob ein Entwurf mit dem Reichsrecht vereinbar sei, zu
entscheiden gehabt hätte (S. 284); diese Instanz wäre zwar nicht der RFH.
gewesen (was im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtspflege gewiß
bedauerlich war); die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs hätte sich aber
aus Art. 19 IRV. m. E. unschwer herleiten lassen. Das Zurückgreifen
auf das Einspruchsrecht des Art, 12 II RV. gegen Sozialisierungsgesetze
der Länder (S. 285 f.) erscheint mir schon deshalb verfehlt, weil dieses
Einspruchsrecht unbefristet, das des LStG. aber befristet ist. Vgl. im
übrigen die scharfe Kritik von MARKULL pr. Verw.Bl. 43 S. 231.