— 332 —
der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen grundlegenden Entscheidung
des III. Senats (Bd.5 S. 333) beschränkt sich der Gerichtshof darauf,
seinen Standpunkt in folgendem Nebensatz festzustellen: „Will man
auch das Recht und die Pflicht der Gerichte, sowohl der
allgemeinen bürgerlichen als auch der durch Sondergerichte geschaffenen
öffentlich-rechtlichen, wie des Reichsfinanzhofs, die von ihnen an-
zuwendenden Reichsgesetze auf ihr ordnungsmäßiges
Zustandekommen sowie auf ihre Verfassungsmäßigkeit
hin zu prüfen, anerkennen, so kann eine solche Prüfung doch
nicht zur Verneinung der verbindlichen Kraft der genannten Reichs-
gesetze führen.“ Daß der Senat sich in dieser seit Jahrzehnten um-
strittenen Frage auf eine kurze Konstatierung seiner grundsätzlichen
Stellungnahme beschränkt, mag befremden; man könnte, angesichts
der Tatsache, daß die Prüfung im vorliegenden Falle zum Ergebnis
der Aufrechterhaltung des Gesetzes kommt, daran denken, das
Gericht habe nur hypothetisch zur Frage des richterlichen Prü-
fungsrechts Stellung nehmen wollen. Dann hätte es aber näher ge-
legen, eine andere Formulierung zu wählen, denn der RFH. mußte
sich der Bedeutung seiner Stellungnahme grade in diesem Punkte
bewußt sein. So bin ich geneigt anzunehmen, daß der RFH. sich hier
tatsächlich und ausgesprochen für das richterliche Prüfungsrecht er-
klären wollte, freilich unter Zugrundelegung der Anschauung, daß
Verfassung aufgehoben sei, weil die Grundsätze des neuen Gesetzes mit
denen des älteren unvereinbar wären. Daß der REFH. hierbei die Ver-
fassungsgemäßheit des Goldzollgesetzes materiell nachprüfen muß, ist kein
Beweis für das Prüfungsrecht. Diese Prüfung müßte allerdings in gleicher
Weise vorgenommen werden, wenn das Goldzollgesetz nach der RV. er-
gangen wäre, sie wird aber im vorliegenden Fall vorgenommen, weil
die RV. das spätere Gesetz ist. Auch darin kann ich THOMA nicht
beipflichten, daß „die beiden Urteile doch nicht vollen Ernst machen, in-
sofern sie sich zwar auf eine gewisse Prüfung der aufgeworfenen Fragen
einlassen, die Gültigkeit der angefochtenen Gesetze aber bejahen.“ Daß
der RFH. nach sehr eingehender Untersuchung in beiden Fällen zu dem
Ergebnis kommt, gegen die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze ist nichts
einzuwenden, beweist vielleicht, daß das Prüfungsrecht praktisch nicht so
dringend notwendig ist (das würde THoMAs eigne Stellungnahme richtig
‚erscheinen lassen), nicht aber, daß die Prüfung als solche nicht oder doch
‚nicht ernsthaft vorgenommen sei. Das Urteil 5, 333,ist m. E. auf jeden
‘Fall als einwandfreie Stellungnahme des RFH. (zum mindesten aber des
III. Senats) für das richterliche Prüfungsrecht zu werten.