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den Vordergrund, daß die Rechtsverordnung als „Rechtsnorm“ geeignet
ist, auch den Verwaltungsrichter zu binden (und nicht bloß dem
Untertanen Rechte zu verleihen und Pflichten aufzuerlegen) während
die Verwaltungsverordnung als allgemeine „Anweisung“ i. S. des
8 13 AO. diese bindende Kraft nicht besitzt und daher, wenn sie
etwas enthält, was über den Inhalt des Gesetzes hinausgeht, für die
Entscheidung der mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Be-
hörden unbeachtlich ist. Bei der Scheidung von Rechtsnorm und
Anweisung geht der RFH. aber stets auf die Gesichtspunkte zurück,
welche die Wissenschaft für die Differenzierung von Rechtsverordnungen
und Verwaltungsverordnungen aufgestellt hat. — Die für das Finanz-
recht bedeutsamen Verordnungen namentlich die Ausführungsbestim-
mungen fußen in den weitaus meisten Fällen auf einer speziellen
Ermächtigung; nur in einem einzigen Erkenntnis beschäftigt sich der
IV. Senat mit der Frage, ob dem Bundesrat nach der alten RV. ins-
besondere nach Art. 7 Z. 2, dem Reichsrat oder der Reichsregierung
nach der neuen Reichsverfassung insbesondere nach Art. 77 ein selb-
ständiges Recht zum Erlaß von Rechtsverordnungen zuzubilligen
sei. Beide Fragen werden verneint. Die auch früher nur vereinzelt
vertretene, aber kaum haltbare Meinung, dem Bundesrat sei nach
seiner allgemeinen Rechtsstellung im Reiche ein selb-
ständiges Verordnungsrecht zuzuerkennen, wird kurz unter Berufung
auf das Zeugnis LABanns (StR.°® II S. 91) abgetan; aber auch Art. 7
7.2 a. RV. hält der RFH. nicht für ausreichend, „die Befugnis des
Bundesrats zur Setzung von Rechtsnormen“ zu begründen; unter den
dort genannten „allgemeinen Verwaltungsvorschriften“ seien nur „Ver-
waltungsanordnungen“ zu verstehen, „also Anordnungen, die das Ver-
halten der Behörden bei der Ausführung regeln, den Steuerpflichtigen
aber keinen Rechtsanspruch gewähren oder Verpflichtungen begründen.“
Bei der Literaturanführung zur Begründung dieser Ansicht, über die
sich nach der alten RV. m. E. sehr wohl streiten ließ, vermißt man
eine Auseinandersetzung mit der entgegengesetzten Lehrmeinung,
namentlich mit Anscuütz (bei Mever-Anscuürz”? S. 707 Anm. 13).
Auch nach neuem deutschem Staatsrecht erkennt der RFH. weder
dem Reichsrat noch der Reichsregierung ein selbständiges Verordnungs-
recht ohne Delegation zu: „Die neue Reichsverfassung enthält über
den Erlaß von Rechtsverordnungen keine allgemeinen Bestimmungen.
Damit ist stillschweigend ausgesprochen, daß die Befugnis zu deren
Erlaß anderen Organen als dem Reichstag nur kraft ausdrücklicher