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betrachtet er es als seine Aufgabe, „dem Gesetz selbst gegenüber der
rechtsirrigen Auslegung desselben durch die Ausführungsbestim-
mungen Geltung zu verschaffen“ (I. Senat, Bd 6 S.215 ähnlich V. Senat
Bd. 7 8. 66 f.). Versucht eine Rechtsverordnung eine Auslegung von
Gesetzesbestimmungen durch Anführung von Beispielen zu geben, die
in der irrigen Voraussetzung gewählt sind, der Beispielfall sei ein
solcher des Gesetzes, so ist die Verordnung insoweit als rechtsun-
gültig zu behandeln (II. Senat Bd. 7 8. 124). Auslegungsgrund-
sätzen eines einer einwandfreien Auslegung fähigen Gesetzes
kommt im allgemeinen nicht die „Natur einer bindenden Rechts-
norm“ zu (Sinn des etwas schwer verständlich gefaßten Urteils des
V. Senats Bd, 9 8. 221, in der Sache übereinstimmend der II. Senat
Bd. 10 8. 76 passim). Andrerseits erkennt aber der Gerichtshof
(V. Senat Bd. 7 S. 297) ausdrücklich den möglichen Rechtsver-
ordnungscharakter von Auslegungsverordnungen an: „Soweit es sich
um die Abgrenzung des im Gesetze selber festgelegten Merkmales
handelt ...., haben die Ausführungsbestimmungen . . . . bin-
dende Kraft für die Steuergerichte nur insoweit, als bei freier
Auslegung Zweifel möglich sind, die durch authentische Inter-
pretation des Gesetzes nach der einen oder anderen Seite hin be-
seitigt werden können.“
Die Rechtsprechung des RFH. scheint bisher der Rechtsverord-
nung nicht günstig zu sein, jedenfalls soweit sie auf allgemeinen Er-
mächtigungen beruht. Allerdings kennt das neue deutsche Steuerrecht
eine Bestimmung, deren Charakter als Ermächtigung zu Rechts-
verordnungen auch der RFH. stets uneingeschränkt zugesteht: den
8108 Abs. II AO. Dieser Paragraph gibt dem Reichsfinanzminister
das außerordentliche Recht, mit Zustimmung des Reichsrats die Ge-
setze für Fälle bestimmter Art aus Billigkeitsgründen abzuändern.
„Die so erlassenen Bestimmungen haben Gesetzeskraft“ (Bd. 7 S. 66;
übereinstimmend Bd. 7 8. 92; Bd.8 8.48). Freilich können Erlasse
der Exekutivorgane, mögen sie nun auf $ 108 Abs. II oder einer
Spezialdelegation beruhen, nur dann Anspruch auf Beachtung durch
die Steuergerichte erheben, wenn sie auch in formeller Beziehung
den billigerweise zu stellenden Anforderungen genügen; und in dieser
Hinsicht legt der RFH. mit Recht einen strengen, wenn auch nicht
übertriebenen Maßstab an. Vor allem muß bei jeder Rechtsverord-
nung dieser Art „deutlich ersichtlich sein“, auf welche Ermächtigung
sie sich stützt. Nicht als ob das Ermächtigungsgesetz jedesmal aus-