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gegriffen werden. Die erste Gruppe von Urteilen betrifft die Ermes-
senskontrolle. Hier dürfte der RFH. sich in Uebereinstimmung
mit der herrschenden Meinung in Wissenschaft und Praxis befinden.
Der materielle Inhalt, welcher einer Verordnung nach dem freien Er-
messen der erlassenden Stelle zu geben ist, unterliegt nicht der Nach-
prüfung durch den Verwaltungsrichter (Bd. 9 S. 150). Besonders
wichtig ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob vom Steuerpflich-
tigen eine vollständige Ausfüllung der amtlichen, meist in den Aus-
führungsbestimmungen veröffentlichten Musterformulare verlangt werden
kann oder ob die Einwendung zu beachten sei, das Muster verlange
Mitteilungen, die zur Erreichung des Zwecks eines Gesetzes nicht er-
forderlich seien. Der III. Senat des RFH. äußert sich Bd. 5 S. 337
hierzu folgendermaßen: „Dem Beschwerdeführer ist ... soviel zuzu-
gestehen, daß der Umstand, daß das Muster der Steuererklärung, dessen
Ausfüllung das Finanzamt von ihm verlangt, durch $ 9 Ausf.Best. des
Reichsrats v. 16. Mai 1920 zum K.Abg.V.7.Ges. vorgeschrieben ist,
die Prüfung der Frage, ob die Beantwortung der darin enthaltenen
Fragen von ihm verlangt werden kann, nicht ausschließt. Zwar
bestimmt $ 22 I des Gesetzes, daß die Steuererklärung „nach näherer
Bestimmung des Reichsrats“ abzugeben ist, aber er schränkt das gleich-
zeitig dahin ein, daß sie nur „die zur Feststellung des der Kriegsab-
gabe unterliegenden Vermögenszuwachses erforderlichen Angaben“ zu
enthalten hat. Der Reichsrat kann also für die Steuererklärung nur
insoweit Vorschriften erlassen und Muster festsetzen, als es ihrer zur
Erlangung dieser Angaben bedarf, wie es denn überhaupt selbstver-
ständlich ist, daß er nur im Rahmen des Gesetzes tätig werden darf.
Welche Angaben aber zur Feststellung der Kriegsabgabe erforder-
lich sind, entscheidet der Reichsrat innerhalb dieser Schranken
nach freiem Ermessen, und seine Bestimmungen sind
nurdann unwirksam, wenn diesesErmessen über die
bejaht wird. — Mit dem Umsatzsteuerrecht beschäftigen sich die Er-
kenntnisse Bd. 7 S. 62 und Bd. 8 S. 45, welche die Rechtswirksamkeit von
Ausführungsbestimmungen verneinen (und Bd. 11 S. 6 wo die Gültig-
keit einer Abänderungsverordnung anerkannt wird). — Bd. 11 S. 124 wird
dem Bundesrat das Recht abgesprochen, den Begriff des „Haustrunks“
nach dem BierSt.Ges. abweichend vom Gesetz anzulegen. — Bd. 2 S. 162
beschäftigt sich mit den Ausf.Best. zum Reichsstempelgesetz, Bd. 9 S. 150
mit der Ueberleitungsverordnung zur AO, in beiden Fällen wird die bindende
Kraft der Verordnungsbestimmungen anerkannt.