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Grenzen der Pflichtmäßigkeit hinausgeht, nament-
lich wenn die Angaben offenbar nicht erforderlich
sind“®1. In dem gleichen Urteil lehnt der Senat es ab, in eine Prü-
fung der Frage, ob bestimmte Gesetze i. S. des $ 7 des Gesetzes über
die vorläufige Reichsgewalt v. 10. II. 1919 „dringend“ gewesen
seien, überhaupt einzutreten: „die Entscheidung darüber, welche gesetz-
geberischen Aufgaben ... dringend waren, lag allein bei der National-
versammlung und kann — von Erwägungen praktischer Politik ab-
hängig — nicht Gegenstand richterlicher Nachprüfung sein“ (a. a. O.
S. 335). In einem andern Urteil (Bd. 7 S. 66) wirft der V. Senat
freilich passim die Frage auf, ob eine Bestimmung der Ausführungs-
vorschriften sich auf Billigkeitserwägungen ($ 108 II AO.) überhaupt
stützen könnte. Wollte er der Norm die Anwendbarkeit wirklich
deshalb versagen, weil „irgendwelche Billigkeitsgründe“, eine solche
Steuerbefreiung auszusprechen, „nicht erkennbar“ seien, so müßte darin
wohl eine unzulässige Ermessenskontrolle erblickt werden. Tat-
sächlich wird aber diese Untersuchung nur deswegen angestellt, um
zu erkennen, ob diese Norm ihrem Inhalt nach mit dem 8 108 IT AO.
in Verbindung zu bringen ist. Das erscheint einwandfrei.
In zwei (vorher bereits teilweise besprochenen) Entscheidungen
sieht sich der RFH. zu einer Prüfung genötigt, ob Steuergesetze
mit Bestimmungen des neuen Verfassungsrechts in Ein-
klang stehen: Bd. 5 S. 333 tritt der Ill. Senat der Auffassung
entgegen, die Nationalversammlung sei nach Verabschiedung
der neuen Reichsverfassung nicht mehr zuständig zum Erlaß
von Steuergesetzen, insbesondere der Reichsabgabenordnung und des
Gesetzes über die Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachs gewesen. Zwar
sei die Auffassung Mrıssners (Das neue Staatsrecht S. 250 f.) abzu-
lehnen: die Nationalversammlung habe selbst kein Ende ihrer politi-
schen Wirksamkeit bestimmt; ihr Charakter und ihr Mandat als „ver-
fassunggebende Volksvertretung hätten sie aber berechtigt, auch die
zur Ausführung der Verfassung notwendigen Gesetze (Reichs-
wahlgesetz usw.) zu verabschieden; bis zu diesem Zeitpunkt sei es
nicht ausgeschlossen gewesen, daß sie insbesondere zur Ausnützung
der Zeit auch noch andere dringende gesetzgeberische Aufgaben, die
——
2! Ein ähnlicher Fall ist in gleicher Stellungnahme wenn auch ohne
die gleiche Ausführlichkeit in der Begründung vom II. Senat Bd. 5 S. 28
behandelt worden.
Archiv des öffentlichen Rechts. N. F. 6. Heft 3. 24