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menen zu einem bestimmten Staate zu prüfen und zwar unter der
Einwirkung, die der Friedensvertrag auf die persönliche Steuer-
pflicht ausgeübt hat. Zwei ausführliche Entscheidungen beschäftigen
sich mit der Abgabenpflicht der zu Franzosen gewordenen Elsaß-
Lothringer. Der Friedensvertrag ist als deutsches Reichsgesetz
verkündet worden; damit geht er älteren Reichsgesetzen vor; nament-
lich die Zulässigkeit eines Sicherheitsbescheides nach dem Steuerflucht-
gesetz und seinen Ergänzungsgesetzen ist nach Inkrafttreten des Frie-
densvertrages auf Grund dessen Normen bei solchen Personen besonders
zu prüfen, deren Staatsangehörigkeit eine Veränderung erfahren hat.
Mit einem Falle dieser Art beschäftigt sich das Urteil des I. Senats
Bd. 4 S. 190 fi. Der Universitätsprofessor H. entstammt einer alt-
elsässer Familie, d. h. er ist Nachkomme von Personen, die durch den
Frankfurter Frieden 1871 die französische Staatsangehörigkeit verloren
und seitdem keine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit erworben
haben. Im Dezember 1918 suchte H. um seine Entlassung aus seiner
Dienststellung an der Universität J. nach und verließ bald darauf J.,
um sich nach Straßburg zu begeben und dort den Erwerb der fran-
zösischen Staatsangehörigkeit zu betreiben. Bei der Untersuchung der
Frage, ob und inwieweit H. bei dieser Sachlage noch vom Deutschen
Reiche steuerlich in Anspruch genommen werden könne, verneint
der RFH. in längeren Untersuchungen °°?, daß Art. 53 des Friedens-
vertrages entgegenstünde. H. gehört zwar zu den Personen, die gemäß $1
der Anlage zu Abschnitt V Fr. V. die französische Staatsangehörigkeit
ipso iure mit Wirkung vom 11. Nov. 1918 an wiedererlangen und
demgemäß nach Art. 54 Abs. I nur als Elsaß-Lothringer (nicht aber
auch als frühere Angehörige anderer deutscher - Bundesstaaten ?*
23 Dabei werden die Artt. 53, 54 und $ 1 d. Anl. zum V. Abschnitt
wörtlich mitgeteilt, angeblich nach der amtlichen deutschen Üeber-
setzung; als solche muß die Veröffentlichung des Friedensvertrages im
RGBl. 1919 S. 687 ff. gelten, die auch im Kopf des Urteils bei der Auf-
zählung der behandelten Normen richtig zitiert wird. Das wörtliche Zitat
S. 197 stimmt aber mit dem Text des Reichsgesetzblattes in keiner Weise
überein und das Urteil läßt die Fundstelle vermissen, wo der abweichende
Text dieses „amtlichen Wortlauts“ abgedruckt ist. Das ist ein schwer
verzeihlicher Mangel in einem Urteil, das mit minutiöser Wortinterpretation
zu arbeiten gezwungen ist.
24 Damit ist auch die sachsen-weimarische Staatsangehörigkeit, die H.
durch seine Anstellung als ordentlicher Professor an der Universität J. er-