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sehen, denn bis die Abtretung staats- und völkerrechtlich vollzogen
sei, bleibe das Abtretungsgebiet deutsches Inland (Bd. 2 S. 129 —
Danzig; Bd. 3 S.58 — Kempen); in dem durch die Abtretung viel-
fach ipso iure eintretenden Wechsel der Staatsangehörigkeit des Pflich-
tigen könne nicht als eine durch eigene Tätigkeit zu bewirkende Rück-
kehr ins Ausland angesehen werden (Bd.2 8.61). Und ebensowenig, wie
die bevorstehende Abtretung keine staatsrechtlichen Vorwirkungen äußere,
vermöge die vollzogene Loslösung Rückwirkungen zu erzeugen.
Daher könne z. B. eine Sparkasse in Graudenz nach Inkrafttreten des
Friedensvertrages aus der Tatsache ihrer früheren Zugehörigkeit zum
preußischen Staate keinen Anspruch auf Steuerbefreiungen herleiten,
die nur denjenigen juristischen Personen gewährt würden, welche ihren
Sitz im Inland hätten (Bd. 5 S.241). Das gilt allerdings nur für Steuer-
ansprüche, die erst nach der Abtretung zur Entstehung gelangt sind ;
liegt dagegen die Entstehung des Anspruchs vor dem Vollzuge der
staatsrechtlichen Loslösung, so bleibt er auch nach Eintritt der Ge-
bietsänderung im gleichen Umfange bestehen; fraglich sei höchstens,
ob er dann noch ohne Eingriffe in fremde Hoheitsrechte durchgeführt
werden könne (Bd. 6 S. 193). — Für die früheren deutschen, jetzt an
Polen abgetretenen Gebiete sind im Art. 268b Fr.V. in gewissem
Umfang Zollerleichterungen für ihre nach Deutschland auszuführenden
Roh- und Fertigerzeugnisse vorgesehen. Von einem Beschluß der
polnischen Regierung, den sie der deutschen Regierung alljährlich mit-
zuteilen hat, hängt es ab, in welchem Maße Deutschland Zugeständ-
nisse dieser Art zu gewähren hat. Im ersten Jahre nach Inkrafttreten
des Friedensvertrages hat eine Mitteilung dieser Art seitens Polens
nicht stattgefunden ; da hiernach die Voraussetzungen für die Zoll-
erleichterungen nicht erfüllt sind, ohne daß von deutscher Seite etwas
versäumt worden wäre, kann von den jetzt polnischen Einführern auch
kein Anspruch auf Zollfreiheit auf Grund des Art. 268b erhoben
werden (RFH. Bd. 8 S. 326)°*. — Die vorübergehende staatsrechtliche
°®: Ein ähnlicher Grundgedanke findet sich Bd. 6 S. 83: Eine Stempel-
tarifnummer war „für die Dauer des gegenwärtigen Kriegszustandes* er-
höht worden; der Zeitpunkt, mit welchem der Kriegszustand als beendet
anzusehen sein sollte, mußte nach Absatz II der Ausnahmebestimmung
durch „kaiserliche Verordnung“ festgesetzt werden. Eine solche
(oder ihr entsprechende) war bis zum 3. Juni 1921 (!) noch nicht ergangen,
daher lehnt es der RFH. ab, den ursprünglichen Tarif zur Anwendung zu
bringen.