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Das Oberhaus!P hat keinerlei Ausgabeinitiativrecht. Das
folgt schon daraus, daß seit 1678 alle Ausgabebewilligungsgesetze
zuerst im Unterhaus eingebracht werden müssen. Die Peers haben
lediglich das Recht, die vom Unterhaus beschlossenen „Money-
Bills“ im ganzen anzunehmen oder abzulehnen. Dieses Recht,
das schon früher keine große praktische Bedeutung hatte, da die
Lords fast nie die Verantwortung auf sich nehmen wollten, das
Budget als ganzes oder eine der anderen großen Ausgabebewilli-
gungsvorlagen abzulehnen, ist seit 1911 völlig unbeachtlich, da
jetzt die mangelnde Zustimmung des Oberhauses durch königliche
Genehmigung ersetzt werden kann.
Wegen der günstigen Wirkung, welche die Beschränkung der
Ausgabeimitiative des Unterhauses gezeitigt hatte, wurden diese
Bestimmungen auch auf das indische Reichsbudget ausgedehnt
(StO. 70) und in die Staatsgrundgesetze der Kolonien mit Selbst-
verwaltung aufgenommen !!.
Ebenso wurde der Verfassungsausschuß der deutschen Natio-
nalversammlung in Frankfurt a. M. durch die guten Erfahrungen,
die England mit der Beschränkung der Ausgabeinitiative des
Parlaments gemacht hatte, und durch die Tatsache, daß „in Nord-
amerika ganze Staaten durch den Mißbrauch der Initiative der
beiden Häuser bankerott geworden sind“, veranlaßt, in den Ver-
fassungsentwurf eine Bestimmung aufzunehmen, wonach der
Regierung die ausschließliche Initiative in allen Finanzsachen zu-
stehen sollte!”. Außer auf diese praktischen Erfahrungen in
England und den Vereinigten Staaten wurde in dem Bericht noch
darauf hingewiesen, daß die Reichsregierung besser als Staaten-
und Volkshaus wüßte, wie weit die Steuerkräfte der Einzelstaaten
belastet werden dürften, daß der Bundesstaat nur solange fest
10 Lowxuı, Bd. IS. 400 (Bd. I 8. 377 f., 408).
ıı British North Amer. Act, $ 54; Commonwealth of Australia Consti-
tution Act, $ 56; vgl. Loweuu Bd. I S. 280 (263).
12 Verhdlg. der deutschen verfassunggebenden Reichsversammlung zu
Frankfurt & M. Herausgegeben von K.D. HAssLer, 1848/49 Bd. II S. 746.