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Wenn z. B. im Etatgesetz zur Reparatur eines Gebäudes eine
bestimmte Summe bewilligt war, sich nachher aber durch eine
nochmalige fachmännische Untersuchung herausstellte, daß die
Reparatur überhaupt nicht erforderlich sei, oder geringere Kosten
verursache, als man ursprünglich annahm, so konnte die Regie-
rung natürlich nicht verpflichtet sein, dieses Geld auszugeben, nur
weil die Ausgabe im Etatgesetz „angeordnet“ war. Wenn aber
der Reichstag z. B. eine einmalige außerordentliche Teuerungs-
beihilfe für die Landbriefträger in das Reichshaushaltsgesetz ein-
gestellt und der Bundesrat dieser Neueinsetzung eines Ausgabe-
postens ausdrücklich oder durch Verabschiedung des Etatgesetzes
zugestimmt hatte, so war die Reichsverwaltung m. E. nicht be-
rechtigt, dieses Geld einfach nicht auszuzahlen, sondern es zu
ersparen.“
Von den Verfassungen der deutschen Bundesstaaten hatte die
württembergische”® in $ 172, Abs. 2 ausdrücklich bestimmt, daß
Gesetzentwürfe über Auflegung von Steuern, über die Aufnahme
von Anleihen, über die Feststellung des Staatshaushalts oder über
außerordentliche im Etat nicht vorgesehene Ausgaben nur vom
Könige ausgehen konnten. Auch durften Ausgabeposten über den
Betrag der von der Regierung vorgeschlagenen Summe nicht erhöht
werden. Diese Bestimmung wurde 1874 in die Verfassung auf-
genommen, als den Ständen das Initiativrecht, das bisher nur der
König hatte, eingeräumt wurde. Die Verfassungskommission der
zweiten Kammer stellte damals den einstimmigen Antrag, der
Beschränkung der Ausgabeinitiative in Finanzsachen, die der Ver-
fassungsentwurf der Regierung enthielt, zuzustimmen. Zur Be-
gründung dieser Stellungnahme wurde ausgeführt, daß nach der
württembergischen Verfassung alle Ausgabengesetze sowie der
Etat zuerst der Kammer der Abgeordneten vorzulegen sei, und
2 Ueber Württemberg vgl. v. SarwEy, Das Staatsrecht des König-
reichs Württemberg. Tübingen 1883 Bd. 2, S. 225 f., 533 f.; Verhand-
lungen der Kammer der Abg. 1870—74, Beilagen Bd. I S. 1860 f.