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gaben nicht in einem einzigen, sondern in etwa 15 besonderen
Gesetzen enthalten sind, die nur schwer ohne Störung des finan-
ziellen Gleichgewichts geändert werden können. Vor allem aber
hatte das seinen Grund in der strengen Disziplin der beiden großen
Parteien (Liberale und Klerikale), die, je nachdem die eine oder
die andere die Mehrheit im Parlament hatte, das Land regierten.
Als aber in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
das Wahlrecht etwas demokratischer gestaltet und statt des be-
schränkten Zensuswahlrechts das allgemeine (Plural-) Wahlrecht
eingeführt wurde, begannen auch hier die Abgeordneten überflüs-
sige, aber von den Wählern gewünschte Ausgaben in den Etat
einzustellen.
In Italien? ist das Ausgabeinitiativrecht von der zweiten
Kammer oft mißbraucht worden. MINGHETTI schreibt hierüber:
„Der Minister wird z. B. die Erhöhung eines Ausgabepostens vor-
geschlagen haben, die er im Staatsinteresse für erforderlich hielt.
Der Berichterstatter verweigert ihm die Erhöhung unter dem Vor-
wand strenger Sparsamkeit, aber gibt sofort unter der Bedingung
nach, daß man auch die Ausgaben für irgendein Institut erhöht,
das seine Provinz interessiert.“ Und BRUSA berichtet, daß der
Senat, der in Italien bei der Budgetberatung dieselben Befugnisse
wie die Abgeordnetenkammer hat, häufig die verschwenderischen
Neigungen der Wahlkammer zügeln mußte.
Ueber die österreichischen Verhältnisse schreibt das
österreichische Staatswörterbuch: „Bei uns ın Oesterreich wird
die Lösung dieser Aufgabe, sachlich heterogene Ausgaben auf den
Nenner der gleichen Dringlichkeit zu bringen, durch die nationalen
5 Vgl. E. Brusa, Das Staatsrecht des Königreichs Italien. Freiburg
1892, S. 156, Anm. 1; Duprırz, Les Ministres Bd. 1, S. 318—319. A. L.
Loweıt, Governments and Parties in Continental Europe London 1896,
Ba. 1, S. 207 ff.; M. Mınauertı, J Partiti Politici Bologna 1881, Bd. 1,
S. 322.
° Oester. Staatswörterbuch (Mischler-Ulbrich) 2. Aufl. Wien 1905—09.
Bd. IV, S. 390.