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unmöglich zu machen. In solchem Falle läge ebenfalls „keine
Uebereinstimmung“ der beiden Organe vor, und die Regierung
könnte den Entwurf unter Mitteilung des Sachverhalts dem Reichs-
tage vorlegen“.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Verweigerung der Zu-
stimmung und Erhebung des Einspruchs besteht also darin, daß
im zweiten Fall ein passives Verhalten genügt, während im ersten
eine ausdrückliche Erklärung des Reichsrats erforderlich ist, daß
die Nichterhebung des Einspruchs negativen, die Zustimmung
positiven Charakter hat. Noch bedeutsamer ist ein anderer Unter-
schied. Der Einspruch des Reichsrats kann sich immer nur gegen
das Gesetz als Ganzes richten, selbst wenn der Reichsrat nur die
Abänderung eines Paragraphen des 'betreffenden Gesetzes wünscht.
So kommt z. B., wenn der Reichsrat mit der Streichung eines
einzigen Ausgabepostens durch den Reichstag unzufrieden ist
und deshalb Einspruch gegen das Reichshaushaltsgesetz er-
hebt, der Etat zunächst überhaupt nicht zustande, sondern der
Reichstag muß noch einmal über das ganze Rejichshaushaltsgesetz
Beschluß fassen.
Wenn der Reichsrat dagegen lediglich der Erhöhung ®” oder
6? Als Erhöhung der Ausgaben ist es auch anzusehen, wenn der Reichs-
tag z. B. die von der Regierung vorgeschlagene einmalige Teuerungsbei-
hilfe für die Lokomotivführer um 5 Millionen Mark erhöht, dafür aber die
für die Zugführer um 5 Millionen Mark verringert. Daß die Ausgaben im
ganzen sich deshalb nicht erhöhen, ist belanglos! Denn die beiden Posten
haben nichts miteinander zu tun. Die Reichsregierung hat die 5 Millionen
Mark nicht für einen beliebigen Zweck, sondern für die Lokomotivführer
vorgeschlagen! Hält der Reichstag diese Teuerungsbeihilfe in der vorge-
schlagenen Höhe nicht für erforderlich, so kann er sie verweigern; er ist
deshalb aber noch nicht berechtigt, diesen Betrag ohne Zustimmung des
Reichsrats für andere Zwecke einzusetzen. Als Erhöhung ist es ferner an-
zusehen, wenn der Reichsrat vor Einbringung des Reichshaushaltsgesetzes
im Reichstag mit einer Ausgabeposition nicht einverstanden ist (Art. 69),
die Reichsregierung sie daraufhin streicht, der Reichstag den Ausgabe-
posten aber wieder einsetzt. Denn die dem Reichstag zugegangene Regie-
rungsvorlage enthält den betr. Posten nicht. Anders wäre es, wenn die