Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 45 (45)

—_ 2 — 
Reichsrat seine Zustimmung verweigert habe, und deshalb die 
Angelegenheit (also nur die strittige Summe!) dem Reichstag zur 
nochmaligen Beschlußfassung vorgelegt würde. Am 20. Mai 1920 
nahm die Nationalversammlung zu diesem Schreiben Stellung und 
überwies die Sache dem Verfassungsausschuß. Dort ist sie un- 
erledigt liegen geblieben, da die Nationalversammlung bereits am 
21. Mai geschlossen wurde. 
Den Beschluß des Reichstages, eine Ausgabeposition im Reichs- 
haushaltsgesetz zu erhöhen oder neu einzusetzen, dem der Reichs- 
rat nicht zugestimmt hat, muß die Reichsregierung dem Reichs- 
tag zur nochmaligen Beratung vorlegen”. Hält der Reichstag 
dann mit Zweidrittelmehrheit an seinen früheren Beschlüssen fest, so 
hat der Reichspräsident entweder das Gesetz in der vom Reichstag 
beschlossenen Fassung zu verkünden, oder einen Volksentscheid 
anzuordnen. Beharrt der Reichstag dagegen mit einfacher Mehr- 
heit auf seinem Standpunkt, so kann der Reichspräsident binnen 
3 Monaten den strittigen Posten einem Volksentscheid unterbreiten, 
anderenfalls gilt die betreffende Ausgabeposition als nicht zustande- 
gekommen. 
Wenn GIESE und ZEIMANN schreiben ”*, der Reichspräsident 
müsse — nicht könne — im Falle einer Meinungsverschiedenheit 
zwischen Reichstag und Reichsrat einen Volksentscheid anordnen, 
78 Aus dem Wortlaut des Art. 85, Abs. 5 (Die Zustimmung des Reichs- 
rats kann ersetzt werden) könnte man vielleicht schließen, daß die Reichs- 
regierung nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt ist, dem Reichstage 
die betreffende Vorlage zur nochmaligen Beschlußfassung vorzulegen. 
Allein das Wort „kann“ bezieht sich nicht auf eine „fakultative Hand- 
lungsmöglichkeit“ der Reichsregierung, sondern auf den ungewissen Aus- 
fall einer nochmaligen gemäß Art. 74 stattfindenden Abstimmung im Reichs- 
tage bzw. eines vom Reichspräsidenten angeordneten Volksentscheides. 
Denn, ob die Zustimmung des Reichsrats ersetzt werden „kann“, ob der 
Reichsrat sich als der schwächere Teil erweist, ist in jedem einzelnen 
Falle Tatfrage.e WALDECKER a. a. O. S. 31; GıEse, RV. 3. Aufl. Berlin 
1921, Art. 85, Anm. 13. 
7% GIESE, RV. Art. 85, Anm. 14; ZEIMANN, Der Reichsrat; Frankf. jur. 
Diss. 1920, S. 36.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.