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Wenn die Zustimmung — wie wir oben gesehen haben —
dem Reichrat größere Befugnisse gibt, als wenn er auf den Ein-
spruch beschränkt wäre, so hat er doch auch hier nicht, wie
ZEIMANN °” annimmt, eine dem Reichstage gleichberechtigte Stel-
lung. Denn der Reichsrat kann lediglich die ihm gestellte Frage
bejahen oder verneinen, kann aber sonst nicht von den Beschlüssen
des Reichstags abweichen. Ferner kann seine Zustimmung ge-
mäß den Vorsehriften des Art. 74 ersetzt werden.
Statt Ausgaben in dem von der Reichsregierung eingebrach-
ten Reichshaushaltsgesetz ”’* zu erhöhen, kann der Reichstag den
Entwurf des Budgetgesetzes ohne Veränderungen durchgehen las-
sen und dann einen Initiativantrag einiger Abgeordneter annehmen,
auf Grund dessen z. B. die Teuerungszulagen der Beamten erhöht
werden sollen ”®. Gegen ein derartiges vom Reichstag: beschlosse-
nes Gesetz stände dem Reichsrat lediglich der Einspruch zu. Das
scheint auf den ersten Blick befremdlich, ist aber in Wirklichkeit
unbedenklich. Denn während der Reichsrat bei Nichtexistieren
des Art. 85 Abs. 4 und 5, wenn er mit der Erhöhung von Aus-
gabepositionen durch den Reichstag nicht einverstanden ist, nur
in ganz dringenden Fällen gegen das Reichshaushaltsgesetz Ein-
spruch erheben wird, um die Gefahr einer budgetlosen Verwal-
tung zu vermeiden, besteht eine derartige Zwangslage für den
Fall, daß der Reichstag die Form eines besonderen Initiativgesetzes
wählt, für den Reichsrat nicht.
Ein dritter Weg, den der Reichstag gehen kann, wenn er
die Erhöhung von Ausgabepositionen wünscht, besteht in der
Fassung einer Resolution, durch die die Reichsregierung ersucht
’7 ZEIMANN a. a. O. S. 35.
7a Ueber den Weg, den das Budget bis zu seiner Einbringung im
Reichstag zurücklegt, enthält die neue Reichshaushaltsordnung vom 31. De-
zember 1922 (RGBl. 1923 S. 17) eingehende Vorschriften; vgl. insbesondere
das dem Reichsfinanzminister aus Sparsamkeitsrücksichten eingeräumte
Widerspruchsrecht ($ 20, 24).
?8 Abgeordneter KochH in der 17. Sitzung d. VA. v. 28. 3. 1919 S. 171.