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Da der Haushaltsplan nicht der Volksinitiative unterliegt,
kann auch ein Drittel der Reichstagsabgeordneten nicht ver-
langen, daß die Verkündung des Reichshaushaltsgesetzes um
2 Monate ausgesetzt werde. Denn da es der Zweck des Art. 72
Satz 1 ist, der Minderheit des Reichstags Zeit zur Vorbe-
reitung des Volksentscheids gemäß Art. 73 Abs. 2 zu gewähren,
so kann das Verlangen nach Aussetzung der Verkündung doch
nur gegenüber solchen Gesetzesbeschlüssen zulässig sein, die
dem Volksentscheide nach Art. 73 Abs. 2 unterliegen. Das ist
aber — wie oben ausgeführt — bei Finanzgesetzen nicht der Fall.
Ist die Reichsregierung nun verpflichtet, die vom Reichstage
mit Zustimmung des Reichsrats erhöhten Ausgaben (z. B. Teue-
rungszulagen) zu machen, oder ist sie dazu nur ermächtigt, kapn
sie diese Ausgaben also „ersparen“? Welchen Standpunkt man auch
immer gegenüber dem früheren Recht eingenommen hat, haben mag,
heute wird man sagen müssen, daß die Regierung verpflichtet ist,
derartige Ausgaben zu machen ®. Denn heute ist der Reichstag
das oberste Organ unseres Staatswesens, und die Exekutive ist
verpflichtet, seinen Anordnungen zu folgen. Daß der Reichstag,
wenn er Ausgabeposten im Reichshaushaltsgesetz erhöht oder neu
einsetzt, die Regierung verpflichten — nicht nur berechtigen —
will, die betreffenden Ausgaben zu machen, wird man fast immer
annehmen können. Andere Fälle werden nur ganz selten vor-
kommen, so, wenn die Reichsregierung als einmalige Beihilfe zur
Ausbesserung des Kölner Domes 500 000 M. in den Haushaltsplan
einstellt, der Reichstag aber umfangreichere Renovationen wünscht
und deshalb diese Summe um 400000 M. erhöht. Lassen sich
diese umfangreicheren Ausbesserungen für 750 000 M. herstellen,
so ist die Regierung natürlich nicht verpflichtet, die nicht erforder-
lichen 150 000 M. auszuzahlen ; wohl aber durfte sie nicht nur
die weniger umfangreichen Arbeiten für 500000 M. in Angriff
nehmen und den Rest des Geldes sparen.
»® A. M. W. CoERMAnNN, RV. Regensburg 1919 Ar. 85, Anm. 4.