Metadata: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Der Fall 
des Bischofs 
Korum 
588 BISCHOF KORUM STÖRT DEN FRIEDEN 
die Marseillaise an, das Sturmlied der Revolution. Die Geistlichen auf der 
Estrade sangen mit. In Deutschland hat in der Vergangenheit der konfes- 
sionclle Standpunkt nur zu oft den nationalen und patriotischen überwogen, 
Auf der Höhe des Weltkriegs erklärte mir ein befreundeter bayrischer 
Mönch, sonst ein wackerer Mann, er sei kürzlich bei einem Besuch an der 
Front von einem bayrischen Prinzen aufgefordert worden, gemeinsam mit 
einem evangelischen Feldprediger eine Ansprache an bayrische Truppen 
zu halten, habe dies aber mit Entrüstung abgelehnt. Vor einem Wittels- 
bacher könne ein katholischer Ordensmann sich nicht auf dieselbe Linie 
und in die gleiche Reihe mit einem protestantischen Pastor stellen. Der 
biedere Pater war ganz stolz auf diese seine Weigerung. Und dabei bekennt 
sich ein gutes Drittel des bayrischen Volks zur evangelischen Kirche. Gern 
und freudig stelle ich fest, daß seit dem Weltkrieg die konfessionellen 
Gegensätze mehr und mehr in den Hintergrund getreten sind. 
Ich glaube ohne Überhebung sagen zu können, daß es mir während 
meiner Amtszeit gelungen ist, einiges zur Versöhnlichkeit der Konfessionen 
und damit zu diesem Fortschritt beizutragen. Jedenfalls habe ich immer in 
diesem Sinne gearbeitet, indem ich nie einen Unterschied zwischen Pro- 
testanten und Katholiken machte, nie katholische Gefühle und Rechte 
verletzte. Um so unangenehmer empfand ich es, daß dieser Friede durch ein 
plötzliches und unüberlegtes Vorgehen des Bischofs Korum von Trier ge- 
stört wurde, der von den Kanzeln eine Erklärung verlesen ließ, durch die er 
katholische Eltern, deren Kinder die staatliche höhere Töchterschule in 
Trier besuchten, mit kirchlichen Zuchtmitteln bedrohte. Die national- 
liberale Partei brachte eine Interpellation im Abgeordnetenhaus ein, die 
von dem Abgeordneten Hackenberg, einem evangelischen Geistlichen der 
Rheinprovinz, mit viel Temperament vertreten wurde. In meiner Beant- 
wortung der Interpellation* gab ich meinem tiefen Bedauern über das 
Vorgehen des Bischofs von Trier Ausdruck, ermahnte aber gleichzeitig 
beide Teile zur Versöhnlichkeit. Der konfessionelle Zwiespalt, der durch 
unser Volk ginge, nötige Katholiken wie Protestanten, sich ineinander zu 
schicken und sich miteinander einzurichten. Prinzipien wären unversöhn- 
lich, prinzipielle Grundsätze müßten aber auf geistigem Gebiet mit geistigen 
Waffen ausgefochten werden. In der Praxis müßten wir miteinander aus- 
kommen. Ich gäbe mich der Hoffnung hin, daß die Kurie mit mir dafür 
sorgen werde, daß der bedauerliche Zwischenfall ohne weitere, für die Be- 
ziehungen zwischen Staat und Kirche störende und für die Allgemeinheit 
schädliche Folgen bleiben werde. Der Standpunkt der Zentrumspartei 
wurde von dem Abgeordneten Dittrich, einem vortrefflichen Domherrn aus 
* Fürst Bülows Reden, Große Ausgabe I, S. 426; Kleine Ausgabe II, $. 281.
	        
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