EIN BRIEF HERBERT BISMARCKS 181
Achtung des späteren Chefs des Großen Generalstabs, des genialen Grafen
Alfred Schlieffen, unter dem er bei den 1. Gardeulanen gestanden hatte.
Als Flügeladjutant hatte er bei drei Kaisern, Wilhelm I., Friedrich und
Wilbelm II., Dienst getan. Als erster persönlicher Adjutant Wilhelms II.,
welche Stelle er von 1879 bis in die Mitte der achtziger Jahre bekleidete,
hatte er auf die Entwicklung des künftigen Kaisers einen großen Einfluß
ausgeübt. Mein Bruder war dem Prinzen Wilhelm mit Leib und Seele er-
geben. Seine Freundschaft verleitete ihn wohl zu einer Überschätzung des
jungen Prinzen, derinseiner ersten Jugend bei vielen Hoffnungen erweckte,
die sich leider nicht erfüllen sollten. Im Testament meines Bruders stand
der nachstehende Satz: „Dem Prinzen Wilhelm bitte ich zu sagen, daß,
wo ich auch sterben möge, in tiefer Dankbarkeit für sein Vertrauen und
seine Freundschaft, mein letzter und höchster Wunsch flehen wird für die
Größe meines Vaterlandes, für den Ruhm der Armee und für den Stern im
Frieden und im Kriege des Prinzen, für den ich mit Freuden mein Leben
geben würde.“
Von vielen Beweisen der Teilnahme beim Tode des früh Heimgegangenen
hebe ich nur einen Brief des Grafen Herbert Bismarck hervor, der seinem
Herzen ebensoviel Ehre macht wie der Tüchtigkeit meines Bruders:
Schönhausen a. d. Elbe, 2. November 1897.
Lieber Bülow,
Ich bin von der soeben gelesenen schrecklichen Trauerkunde des
plötzlichen Hinscheidens Ihres Bruders Adolf so tief erschüttert, daß
ich meinen Empfindungen wärmster Teilnahme und aufrichtigsten Kum-
mers über dieses große Unglück in einigen herzlichen Worten Ausdruck
geben muß. Ich tue das in Erinnerung an alte gute Jugendbeziehungen,
die zurückreichen, so lange ich zu denken vermag, bis in unsere früheste
Frankfurter Kinderzeit: ich stand im Alter genau zwischen Ihnen und
dem teueren Entschlafenen und habe Ihrer beider Entwicklung und
Lebensgang stets mit größtem Interesse und mit meinen besten Wün-
schen verfolgt. Wie oft haben wir früher über die große Begabung und
hervorragende Tüchtigkeit Ihres Bruders gesprochen, und es hatte für
mich immer etwas Rührendes, daß Sie ihn in Ihrer Bescheidenheit noch
höher stellten als sich selbst. Um so mehr vermag ich zu ermessen, wie
grausam Sie dieser Schlag aus heiterem Himmel getroffen hat, gerade
jetzt, wo Sie in der schwierigen und exponierten Stellung sicherer und
treuer Beziehungen im Vaterlande in stärkerem Maße bedürfen als sonst;
und in dieser Hinsicht ist ein Bruder unersetzlich, zumal mit solchen
außerordentlichen Charaktereigenschaften, wie jeder sie an Adolf kannte.
Gott wolle Sie trösten und seiner armen Witwe Kraft verleihen. Bei
Herbert
Bismarck
zum Tod
Adolfs von
Bülow