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setzen, ferner alle Materien, welche von der Verfassungsurkunde
ausdrücklich der Gesetzgebung vorbehalten worden seien und
primo loco die sog. Rechtsgesetze. Mit letzterem sind die
Gesetze gemeint, die zur unmittelbaren Anwendung durch die
Gerichte bestimmt sind (Strafgesetze, Prozessgesetze, Gesetze
über bürgerliches Recht und ähnliche).
II. Da wiederholt von JELLINEK wie AnSCHÜTZ auf die be-
sondere und ausschlaggebende Bedeutung von STAHL für die
Abgrenzung der Gebiete „Gesetz“ und „Verordnung“ hingewiesen
ist, verlohnt es sich, dessen Ausführungen näher zu betrachten.
In seiner Rechts- und Staatslehre, 2. Aufl. 1845/46, Bd. II S. 168
fasst er zunächst den Unterschied von Gesetz und Verordnung
rein formell auf. Die Abgrenzung zwischen beiden soll nach
seiner Ansicht dem positiven Recht anheimfallen, also doch
nicht davon abhängig sein, ob es sich um Rechtsnorm handele
oder nicht. 8. 169 sagt er sodann: „Die Verordnungen sind
aber keineswegs darauf beschränkt, zum Vollzuge der
Gesetze zu dienen, wie die gewöhnliche Lehre ist.* 8. 338
führt er aus, dass nach deutsch-konstitutionellem Staatsrecht
der ständischen Zustimmung für’s Erste die Normen unterliegen,
welche die öffentliche Rechtsgestaltung des Staates betreffen, also
die Verfassungsgesetze’, fürs Andere die Normen, welche die
Rechtssphäre des Individiums (das sei die gerichtliche Bestrafung,
die Privatrechtsverhältnisse und das Rechtsverhältniss der Unter-
thanenfreiheit gegenüber der Staatsgewalt) betreffen. Dagegen
unterliegen ihr nicht die Verwaltungsnormen, das sind die
Normen der öffentlichen Funktionen im Gebiete der Polizei, der
Finanzen, des Militärs u. s. w. Diese sämmtlich bilden vielmehr
das Bereich der Verordnungen, während nach englischem und
französischem Staatsrecht auch sie zum grossen Theile der Zu-
stimmung bedürfen. Es gehören sohin nach deutschem Staats-
” Sehr richtig, weil die Verfassung nicht durch Verordnung geändert
werden kann.