4 Erstes Buch. Entstehung des heutigen Deutschen Reiches.
§ 2. Die Auflösung des Deutschen Reiches und der Rheinbund.
Die Schwierigkeit, Gesetze des Deutschen Reiches zu Stande zu bringen, der
Mangel jeder Executivgewalt, die emporsteigende Macht einzelner Landesherren
(namentlich der preußischen Könige), die Bündnisse, welche von Reichsmitgliedern
ohne Rücksicht auf die Reichsverfassung mit dem Auslande sogar gegen Kaiser und
Reich (z. B. Bayern und Kurköln mit Frankreich im spanischen Erbfolgekriege und
Bayern bei der Thronbesteigung der österreichischen Kaiserin Maria Therefia, ferner
Preußen 1740 mit Frankreich, später mit England), die Kriege, welche Reichsstände
gegen das Reichsoberhaupt führten (namentlich die schlesischen Kriege), beseitigten
die Macht und das Ansehen des Deutschen Reiches fast vollständig. Seinen letzten
Krieg führte das Reich vom J.1792 ab mit Oesterreich und Preußen gemeinschaft-
lich gegen Frankreich. Im J. 1795 schloß Preußen zu Basel für sich und Nord-
deutschland ohne Rücksicht auf das Deutsche Reich Frieden mit Frankreich. Der
Krieg wurde im Uebrigen nach den Siegen Moreau's in Deutschland und Napo-
leon's in Italien beendet durch den Frieden zu Lunéville vom 9. Februar 1801,
welchen die Reichsversammlung am 7. März 1801 genehmigte. In diesem Frieden
wurden sämmtliche auf dem linken Rheinufer gelegenen deutschen Länder an Frank-
reich abgetreten, und sollte fortan der „Thalweg" des Rheins die Grenze zwischen
der französischen Republik und dem Deutschen Reiche bilden. Das Deutsche Reich
vollte gehalten sein: „de donner aux princes héréditaires (also nicht den geistlichen),
qui se trouvent dépossédés à la rive gauche du Rhin un dédommagement, qui sera
pris de son sein du dit Empire."“ Die Festsetzung dieser Entschädigungen wie die
für die Herrscher von Toskana und Modena erfolgte durch den unter eingreifender
Mitwirkung Frankreichs zu Stande gekommenen Reichs-Deputationshauptschluß
(jüngsten Reichsschluß) vom 25. Februar 1808 — bestätigt, abgesehen von jenem
§ 32 über Stimmenvertheilung im Reichstage, durch kaiserliches Commissionsdecret
vom 27. April 1803 und dadurch Reichsgrundgesetz. Die Kurwürden von Köln
und Trier wurden aufgehoben, die Kur (wie der erzbischöfliche Stuhl) von Mainz
auf Regensburg übertragen. Dagegen wurden vier neue Kurwürden geschaffen,
nämlich für den Herzog von Württemberg, den Markgrafen von Baden, den Land-
grafen von Hefsen-Cassel und den Großherzog von Toskana, welcher das Erzbisthum
Salzburg erhalten hatte. Im Fürstenrathe wurden alle geistlichen Stimmen mit
Ausnahme der des Kurfürsten-Erzkanzlers (Regensburg), des Hoch= und Deutsch-
meisters und des Johannitermeisters auf diejenigen weltlichen Fürsten übertragen,
welchen die nunmehr säcularifirten Gebiete zur freien und vollen Disposition über-
wiesen wurden. Sechzehn linksrheinische Stimmen und die beiden Prälatenbänke
fielen fort, so daß die Stimmenzahl im Fürstenrath von 100 auf 82 zurückging.
Alle freien Reichsstädte wurden bis auf Augsburg, Nürnberg, Frankfurt, Hamburg,
Lübeck und Bremen mediatifirt.
Im Jahre 1805 fochten die süddeutschen Staaten mit Frankreich gegen Oester-
reich. Im Frieden zu Preßburg am 26. December 1805 wurde bestimmt, daß
die französischen Bundesgenossen in ihren Besitzungen genießen sollten „la pléni-
tude de la Souverainetc et de tous les droits, qui en dérivent ainsi et de
la möme manieère qu'en jouissent — I’Empereur d’Allemagne et d’'Autriche et —
le Roi de Prusse sur leurs Etats allemands.“ Am 12. Juli 1806 wurde zu
Paris die Rheinbundacte vollzogen: 1. durch Bayern, 2. Württemberg, 83. den Kur-
erzkanzler (Fürst-Primas), 4. Baden, 5. Großherzogthum Berg, 6. Hessen-Darm-
stadt, 7. Nassau-Usingen, 8. Nassau-Weilburg, 9. Hohenzollern-Hechingen, 10. Hohen-
zollern-Sigmaringen, 11. Salm-Salm, 12. Salm-Kyrburg, 13. Isenburg-Birstein,
14. Arenberg, 15. von der Leyen, 16. Liechtenstein 1. Die Mitglieder des Rheinbundes
1 Auf Grund der Rheinbundsacte wurden und Johanniterordens und sämmtliche ritter-
die Länder von 72 reichsständischen Fürsten und chaftlichen Gebiete den Staaten der Rheinbunds-
Grafen, die Reichsstädte Nürnberg und Frank= fürsten einverleibt.
furt, die Territorien und Besitzungen des Deutschen