Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 2 Die Auflösung des Deutschen Reiches und der Rheinbund. 5 
legten sich die Unabhängigkeit vom Reiche und die volle Souveränetät bei. Durch Verbal- 
note vom 1. August 1806 sagten sie sich zu Regensburg überhaupt von dem Reichs- 
verbande los. Am nämlichen Tage ließ ebendort Napoleon erklären, daß er ferner- 
hin das Deutsche Reich nicht mehr, sondern nur noch die volle Souveränetät der 
deutschen Landesherren anerkenne. Hierauf legte Kaiser Franz II. von Oesterreich 
am 6. Auguft 1806 die Kaiserwürde nieder, indem er sich und seine Nachfolger 
von allen Pflichten gegen das Deutsche Reich lossagte und zugleich die Kurfürsten, 
Fürsten, Stände und alle Reichsangehörigen von ihren Pflichten gegen das Reichs- 
oberhaupt entband. 
Die inzwischen von Preußen gemachten Versuche, einen Norddeutschen Bund 
unter seiner Führung zu gründen, wurden durch die Schlacht bei Jena vernichtet. 
Im Frieden zu Tilfit am 9. Juli 1807 trat Preußen u. A. alle Besitzungen 
zwischen Rhein und Elbe ab und erkannte den Rheinbund an. Diesem traten noch 
bei am 25. September 1806 der Großherzog-Erzherzog von Würzburg, am 
11. December 1806 das (wie schon früher Bayern und Württemberg) zum König- 
reiche erhobene Sachsen, später Weimar, Gotha, Meiningen, Hildburghausen, Coburg, 
beide Mecklenburg, Oldenburg, die drei Anhalt, beide Schwarzburg, Waldeck, die drei 
Reuß, beide Lippe und das aus Theilen Preußens, Hannovers wie den Ländern der 
vertriebenen Fürsten von Hessen-Cassel, Braunschweig und Nassau-Dillenburg ge- 
bildete Königreich Westfalen. Im Ganzen zählte der Rheinbund 34 Mitglieder; 
er umfaßte ganz Deutschland mit Ausnahme von Oesterreich, Preußen, Schwedisch- 
Pommern, Holstein, Lauenburg und den Hanfestädten. Er stand unter dem Protec- 
torate des Kaisers Napoleon und hatte mit Frankreich ein Schutz= und Trutzbündniß 
abgeschlossen. Die gemeinsamen Interessen der Rheinbundfürsten sollten durch einen 
Reichstag wahrgenommen werden, dessen Sitz in Frankfurt sein und der in zwei 
Collegien — le College des Rois und le Collèege des Princes — getheilt sein 
sollte, indeß nie zusammentrat. — 
Die Folgen der Auflösung des Deutschen Reiches waren zunächst die Un- 
abhängigkeit aller deutschen Staaten, die Allodification aller Reichslehen in den 
Händen der bisherigen Reichsvasallen. Dagegen ist das Deutsche Reich 
nicht (ex tunc) aufgehoben und vernichtet, sondern nur „ex nunc“ 
aufgelöst worden. Daher find alle Reichsgesetze, alle kaiserlichen Verleihungen 
und Privilegien bis zur Aufhebung durch die spätere Landesgesetzgebung grund- 
sätzlich in Geltung geblieben. Insbesondere gelten bis heute die Privilegien, 
welche die Kaiser den deutschen Universitäten verliehen haben (das Recht, aka- 
demische Würden zu ertheilen), ferner die vom Kaiser vorgenommenen Standes- 
erhöhungen. Andererseits folgt aus der Auflösung des Reiches und der Souve- 
ränetät seiner ehemaligen Mitglieder, daß letztere die Reichsgesetze beliebig ändern 
und aufheben können. Die Rheinbundfürsten konnten daher rechtswirksam für ihre 
Länder bestimmen (Rheinbundacte, Art. 2), daß die Reichsgesetze, „Toute loi de 
IEmpire Germanique", soweit sie die durch den Rheinbund geschaffenen Verände- 
rungen betrafen?, für die Zukunft unverbindlich sein sollten, „nulle et de nul eftet“. 
Ebenso rechtswirksam konnten sie bestimmen (Rheinbundacte, Art 34), daß alle 
Rechte (Anwartschaften, Belehnungen u. s. w.), die dem Einen von ihnen auf Länder 
des Anderen reichsrechtlich zustehen — eventuelle Successionsrechte ausgenommen —, 
aufgehoben sein sollten (sog. Verzichtartikel). Endlich kann es keinem Zweifel 
unterliegen, daß die Landesgesetzgebung durch die Auflösung des Deutschen Reiches 
die Befugniß erhielt und besitzt, auszusprechen, daß und wie die vom ehemaligen 
Deutschen Reiche oder vom Kaiser ertheilten Privilegien an Städte oder Privat- 
personen (Turn= und Taxissches Postregal) nur noch in beschränktem Maße oder 
überhaupt nicht mehr anzuerkennen sind. 
Schließlich ist noch zu bemerken, daß der Rheinbund nicht Rechtsnachfolger des 
Deutschen Reiches geworden ist. 
  
1 Vg. O. Mejer, S. 135.
	        
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