Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

106 Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches. 
Eisenbahnwesen (Artikel 42 ff. der Bundesverfassung) folgern . Im Uebrigen 
stand das Recht, Verordnungen zur Ausführung der Militärgesetze und militärischen 
Einrichtungen zu erlassen, auch ohne verfassungs= oder gesetzmäßige Ermächtigung, 
während der Geltung der Norddeutschen Bundesverfassung in der That dem Prä- 
sidium zu. Dies war die Praxis, wie u. A. die bald nach Erlaß der Nord- 
deutschen Bundesverfassung ergangene Präßidialverordnung zur Einführung der 
preußischen Militärgesetzgebung in das übrige Bundesgebiet gemäß Artikel 61 und 
die als Präfidialverordnung zur Ausführung des Gesthes, betr. die Verpflichtung 
zum Kriegsdienste, vom 9. November 1867 (B.-G.-Bl. 1867, S. 131) erlassene 
Militärersatz-Instruktion für den Norddeutschen Bund vom 26. November 1868 
ergeben, welche sich auf dem Präfidium besonders ertheilte Delegationen nicht 
stützen. Ein ferneres Beispiel dafür, daß nicht dem Bundesrathe die Verordnungs- 
befugniß zustand, liefert die Präsidialverordnung vom 25. November 1867, betreffend 
die Bundesflagge für Kauffahrteischiffe; vgl. auch außer den früheren Citaten 
Twesten in den Sten. Ber. des norddeutschen verfassungberathenden Reichstages 
1867, S. 103: „Wenn diese Regierung bald als Bundes-Präsidium auftritt, bald 
als Bundesfeldherr, bald der preußischen Regierung als solcher wichtige und wesent- 
liche Befugnisse zugestanden find, so machen diese Befugnisse ungefähr dasjenige 
aus, was eine Centralregierung in einem Bundesstaate nothwendig finden muß.“ 
Der heutige Artikel 7 der Reichsverfassung verallgemeinert nun die Befugnisse, 
welche die Norddeutsche Bundesverfassung dem Bundesrathe nur in Ansehung der 
Zoll= und Steuergesetzgebung gewährt hatte. Er löste die Zweifel, welche über die 
Abgrenzung der dem Präsidium und dem Bundesrathe zustehenden Befugnisse be- 
stehen mochten, im föderativen Sinne, zu Ungunsten des Präsidiums, 
zu Gunsten des Bundesrathes. 
Delbrück am 5. December 1870 im norddeutschen Reichstage (Sten. Ber., 
II. außerordentliche Session 1870, S. 67): 
— „Ich gehe nun über zu einigen mehr die inneren Verhältnisse be- 
treffenden Abänderungen, die gleich den eben erwähnten die Bedeutung einer 
Verstärkung des föderativen Elementes haben. Es kann dahin zunächst ge- 
rechnet werden? die neue Redaction des Artikels 7, in welcher die 
Attributionen des Bundesrathes zusammengefaßt find. Ich sage, fie kann 
hierher gerechnet werden, denn diese Zusammenfassung von Bestimmungen, 
die wesentlich übereinstimmend sich an anderen Stellen der Bundesverfassung 
finden, hat eine in's Gewicht fallende materielle Bedeutung nicht. Es wurde 
Werth gelegt auf diese Zusammenfassung, um an einem Orte klarzustellen 
die eigentlichen Zuständigkeiten des Bundesrathes, deren Ergründung aus 
der Bundesverfassung selbst nicht ohne ein gewisses Studium möglich war. 
i materielle Aenderung des Bestehenden ist damit kaum (9) herbei- 
geführt.“" 
Sehr interessant vom staatsrechtlichen Standpunkte find die Ausführungen 
von Dr. Löwe-Calbe (Sten. Ber. des Reichstages, II. außerordentliche Session 
1870, S. 984 ff.): 
— „Nein, das Oberhaupt ist schwächer geworden, nicht bloß in 
der einen, sondern in allen Beziehungen, das Oberhaupt ist so 
geschwächt, daß die Herren, die — auf die Einheit des Staates und die 
Einheit seiner Handhabung immer das größte Gewicht gelegt haben, daß 
die selbst die größten Bedenken dagegen haben, daß fie selbst heute schon 
finnen, wie fie diesen Mängeln abhelfen sollen. — Die Verfassung 
  
  
  
1 Arndt, Verordnungsrecht, S. 105 ff., Erk.keine Neuerung enthält, widerspricht der Praxis; 
des Reichs--O rpaudelsgerichts v. 2. Juni 1876, Koben und Arndt, Verordnungsrecht, S. 51ff., 
Entsch. d. XXI, S. 62. u. a. O. Die Rede hatte zum Zweck, die 
Es muß nach Vorstehendem dahin ge-Bayern gemachten Concessionen als minder 
rechnet werden. Die allerdings znbeint aus- bedenklich hinzustellen. 
gesprochene Ansicht Delbrück's, daß Artikel 7
	        
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