§ 19. Der Reichstag. 121
(vgl. auch Seydel, in Hirth's Annalen 1880, S. 366, Anm. 4). Er ist rechtlich
ohne Bedeutung; denn die Zahl der Abgeordneten ist durch Gesetze geregelt und
kann nur wieder durch Gesetze geändert werden, mag die Zahl der Seelen, auf
welche ein Abgeordneter kommt, sich vermehrt oder vermindert haben. Durch § 5,
Abs. 2 des Wahlhgesetzes ist die Zahl der auf den ehemaligen Norddeutschen Bund
entfallenden Abgeordneten auf 297 festgesetzt worden, und zwar für Preußen auf 235,
für Sachsen auf 23, Hessen auf 3, Mecklenburg-Schwerin auf 6, Sachsen-Weimar
auf 3, Mecklenburg-Strelitz auf 1, Oldenburg auf 3, Braunschweig auf 3, Sachsen-
Meiningen auf 2, Sachsen-Altenburg auf 1, Sachsen-Koburg-Gotha auf 2, Anhalt
auf 2, Schwarzburg-Rudolstadt auf 1, Schwarzburg-Sondershausen auf 1, Walhdeck
auf 1, Reuß ältere Linie auf 1, Reuß jüngere Linie auf 1, Schaumburg-Lippe
auf 1, Lippe auf 1, Lauenburg auf 1, Lübeck 1, Bremen 1 und Hamburg 3. Gemäß
Absatz 2 in Artikel 20 der Reichsverfassung beträgt diese Zahl für Bayern 48,
für Württemberg 17, für Baden 14 und für Hessen südlich des Mains 6, und
durch § 3 des Gesetzes, betreffend die Einführung der Verfassung des Deutschen
Reichs in Elsaß-Lothringen (R.-G.-Bl. 1873, S. 161), vom 25. Juni 1873 ist sie
für Elsaß-Lothringen auf 15 festgesetzt worden. Die Gesammtzahl der Reichstags-
abgeordneten beträgt sonach 397. Sie kann im Wege des einfachen Gesetzes ander-
weit geregelt werden (Absatz 2 in Artikel 20 der Reichsverfassung). Zu den
Sonderrechten, auf welche Artikel 78, Abs. 2 Anwendung findet, gehört zwar die
Stimmenzahl im Bundesrathe, nicht aber die Stimmenzahl der Abgeordneten im
Neichstage 1.
Wahlkreise.
Jeder Abgeordnete wird in einem besonderen Wahlkreise gewählt (Wahlgesetz
§ 6, Abs. 1). Die Wahlkreise sollen, von den Exklaven abgesehen, räumlich ab-
gegrenzt und thunlichst abgerundet sein (Wahlgesetz § 6, Abs. 3). Ein Reichsgesetz
wird die Abgrenzung der Wahlkreise bestimmen (§ 6, Abs. 4 das.). Bis dahin
find, so heißt es in Abs. 4 l. c. weiter, die gegenwärtigen Wahlkreise beizubehalten 2.
Die Wahleintheilung beruhte rücksichtlich der Staaten des Norddeutschen Bundes
bei Erlaß der Reichsverfassung auf § 23 und Anlage C des vom Bundesrathe er-
lassenen Wahlregelements vom 28. Mai 1870 (B.-G.-Bl. 1870, S. 275). Aende-
rungen, die nur in Gesetzesform ergehen dürfen (§ 6, Abs. 4 des Wahlgesetzes),
traten ein durch die Reichegesetze vom 20. Juni 1873 (R.-G.-Bl. 1873, S. 144),
vom 25. Dezember 1876 (R.-G.-Bl. 1876, S. 275) und vom 15. Dezember 1890,
8 4, in Verbindung mit der Bundesrathsverordnung vom 16. Mai 1891 (R.-G.=
Bl. 1891, S. 111)°5.
Für Bayern beruht die Wahlkreiseintheilung auf Abschnitt III, § 2 des
Bündnißvertrages vom 23. November 1870 (B.-G.-Bl. 1871, S. 9) in Verbindung
mit der Bundesrathsverordnung vom 27. Februar 1871 (B.-G.-Bl. 1871, S. 35).
Diese Verordnung gilt auch für Württemberg. Die Wahlkreiseintheilung in
Elsaß-Lothringen ist auf § 6, Abf. 2 des Gesetzes vom 25. Juni 1873
(N.-G.-Bl. 1873, S. 161) und die Bundesrathsverordnung vom 1. Dez. 1873
(N.-G.-Bl. 1873, S. 373) zurückzuführen. Aenderungen des Wahlkreises, sei
es, daß ein Theil an einen anderen Bundesstaat abgetreten, oder daß die Ver-
waltungs-(Kreis-)Eintheilung verändert wird, haben auf die Reichstagswahlen bis
zur anderweitigen reichsgesetzlichen Regelung keinen Einfluß. Jeder Wahlkreis
wird durch die zuständigen Landesbehörden (Wahlreglement § 6) zum Zwecke der
Stimmenabgabe in kleinere (Wahl-)Bezirke eingetheilt. Und zwar sollen Gemeinden
bis zu 3500 Seelen in der Regel einen Wahlbezirk für sich bilden (ahlges 86,
Wahlreglement § 7, Abs. 1 und 3), Gemeinden über 3500 Seelen müssen,
größere Gemeinden bis zu 3500 Seelen können in mehrere Wahlbezirke eingetheilt
1 Siehe weiter unten; vgl. u. A. Laband, 2 Durch diese Verordnung vom 16. Mai 1891,
Reichsstaatsrecht, I. S. 279. welche auf Grund reichsgesetzlicher Ermächtigung
2 Der fernere Inhalt des Abs. 4 in § 6 des erging, wurde Helgoland dem 5. Schleswig-
Wahlgesetzes bezeg sich auf Mecklenburg und Holsteinschen Wahlkreise zugewiesen.
ist heute als erledigt zu betrachten.