Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 19. Der Reichstag. 123 
der Gemeindevorstand, der entweder kurzer Hand die Liste berichtigen oder den Ein- 
sprechenden und den Betheiligten bescheiden muß. Der Bescheid ist endgültig 
(Seydel, in Hirth's Annalen 1880, S. 372). Gründe der Berichtigungen an 
der Wahlliste find in Kürze am Rande zu bemerken. Am 22. Tage nach dem 
Beginn der Auslegung find beide gleichmäßig berichtigte Ausfertigungen der 
Wählerliste durch Unterschrift des Gemeindevorstandes abzuschließen. Nach dem 
Abschlusse ist jede weitere Aufnahme von Wählern in die Liste untersagt (Wahl- 
reglement § 4, Abf. 3), sonstige Berichtigungen find noch statthaft. Die zweite 
hrchi der Wählerliste ist vom Gemeindevorstand dem Wahlvorsteher zu- 
zustellen. 
Wahlhandlung. 
Der Wahlvorsteher und dessen Stellvertreter werden vom Wahlkommissar (val. 
Anlage D zum Wahlreglement) ernannt. Wahlvorsteher dürfen kein unmittelbares 
Staatsamt bekleiden (Gemeindebeamte, Amtsvorsteher, Hülfsbeamte der Staats- 
anwaltschaft, Standesbeamte u. s. w. dürfen fie sein). Ihre Thätigkeit ist unent- 
geltlich. Sie brauchen nicht Wähler des Bezirkes zu sein. Der Wahlvorsteher 
ernennt aus der Zahl der Wahlberechtigten seines Bezirkes einen Protokollführer 
und drei bis sechs Beisitzer. Auch diese verrichten ihre Thätigkeit als Ehrenamt 
und dürfen im vorangegebenen Sinne kein unmittelbares Staatsamt bekleiden. Sie 
werden vom Wahlvorsteher mittelst Handschlages an Eidesstatt verpflichtet. Der 
Wahlvorstand nimmt an einem Tische Platz, der so aufzustellen ist, daß er von 
allen Seiten zugänglich ist. Auf diesen Tisch wird ein leeres, verdecktes Gefäß als 
Wahlurne zum Hineinlegen der Stimmzettel gestellt. Es müssen stets drei Mit- 
glieder des Wahlvorstandes anwesend sein. § 108 des Strafgesetzbuches bestraft 
den, welcher in einer öffentlichen Angelegenheit mit der Sammlung von Wahl- 
oder Stimm -Zetteln oder -Zeichen oder mit der Führung der Beurkundungs- 
verhandlung beauftragt !, ein unrichtiges Ergebniß der Wahlhandlung vorsätzlich 
herbeiführt oder das Ergebniß verfälscht :, mit Gefängniß von Einer Woche bis zu 
drei Jahren. Wird die Handlung von Jemand begangen, welcher nicht mit der 
Sammlung der Zettel oder Zeichen oder einer anderen Verrichtung bei dem Wahl- 
geschäfte beauftragt ist, so tritt Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren ein. In allen 
diesen Fällen kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 
Die Wahlhandlung muß in allen Wahlbezirken gleichzeitig stattfinden. Wird 
dies durch Naturereignisse verhindert, so erachtet der Reichstag die ganze Wahl für 
ungültig, wenn die durch das Naturereigniß von der Wahl ausgeschlossenen Wahl- 
berechtigten auf deren Ergebniß hätten Einfluß haben können. (Vgl. Sten. Ber. 
des Reichstages 1871, S. 24 ff., S. 509, 1874, S. 571, S. 573.) Die Wahl- 
handlung ist öffentlich (Wahlgesetz § 9, Abs. 1), indeß einerseits nur für die Wahl- 
berechtigten des Wahlkreises, andererseits nicht bloß für die Wahlberechtigten in 
dem betreffenden Wahlbezirk (Seydel, in Hirth's Annalen 1880, S. 375, fiehe 
auch Sten. Ber. des Reichstages 1869, S. 193 und 978). Der Grundsatz der 
Oeffentlichkeit hindert nicht die Ausweisung von Ruhestörern. Die Wahlhandlung 
kann beendet werden, wenn alle Wahlberechtigten Stimmzettel abgegeben haben; 
s. Verhandlungen des Reichstages 1871, Drucks. Nr. 30. Die Wahlhandlung be- 
ginnt um 10 Uhr Vormittags und endet um 6 Uhr Nachmittags. Ueber die 
Wahlhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Während der Wahlhandlung 
dürfen im Wahllocale weder Discussionen stattfinden, noch Ansprachen gehalten 
oder Beschlüsse gefaßt werden — außer solchen über die Handhabung des Wahl- 
geschäftes. Die Abstimmung ist eine geheime. Der Wähler kann Jedem sagen, 
  
1 Beauftragt find in diesem Sinne die Wahl- 2 Das Ergebniß der Wahlhandlung ist un- 
vorsteher vom Wahlkommissar, die Beisitzer und richtig, sobald dadurch das Stimmenverhältniß 
der Protokollführer vom aselarstehen Un- ein anderes geworden ist, sollte auch in Betreff 
erheblich ist, ob die Formalitäten erfüllt find, der Person des Gewählten eine Aenderung nicht 
B. ob die Verpflichtung mittelst Handschlages herbeigeführt sein. 
Rattgesunden hat.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.