Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

§ 19. Der Reichstag. 125 
Wahlergebniß. 
Das Wahlergebniß für den Wahlkreis ist durch die Wahlkommission festzu- 
stellen. Der Vorsitzende, welcher von der Centralbehörde des Bundesstaates bestellt 
wird, ernennt deren übrige Mitglieder. Die Beisitzer (wohl aber der Vorsitzende 
und der Protokollführer) dürfen kein unmittelbares Staatsamt bekleiden, sie müssen 
im Wahlkreise wahlberechtigt sein. Die Sitzung der Wahlkommission muß am 
vierten Tage nach dem Wahltage stattfinden (Wahlreglement § 26, Abs. 1). Vorher 
find alle Wahlprotokolle mit den dazu gehörigen Schriftstücken dem Vorsitzenden 
der Wahlkommission durch den Wahlvorsteher einzureichen. Die Verhandlung der 
Wahlkommission ist für die im Wahlkreise Wahlberechtigten öffentlich. Der Wahl- 
kommission steht nicht das Recht zu, über die Gültigkeit der einzelnen Wahlzettel 
oder der Wahlhandlung in einem Bezirke eine Entscheidung zu treffen, welche letztere 
gemäß Artikel 27 der Reichsverfassung ausschließlich dem Reichstage zusteht (Sten. 
Ber. des Reichstages 1878, S. 100). Die Thätigkeit der Wahlkommission ist somit 
lediglich eine rechnerische. Nach Abschluß der Zusammenstellung wird deren Er- 
gebniß bekannt gemacht. Ergiebt sich als dieses Ergebniß, daß ein Kandidat die 
absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat, so ist er alsbald 
als gewählt zu verkünden (Wahlreglement § 28, Abf. 1). Ist dies nicht der Fall, so 
ist auf Grund der unveränderten Wählerlisten und in unveränderten Wahlbezirken 
eine engere Wahl (Stichwahl) durch den Wahlkommissar zu veranlassen, und zwar 
zwischen den beiden Kandidaten, welche bei der ersten Wahl die meisten Stimmen 
erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet in allen Fällen das durch den 
Wahlkommissar zu ziehende Loos. Der Tag für die engere Wahl darf höchstens 
vierzehn Tage nach Ermittelung des Wahlergebnisses erfolgen; er wird durch den 
Wahlkommissar bestimmt. Stimmen, welche bei der engeren Wahl auf andere 
Candidaten fallen, find ungültig. 
Annahme. 
Der Erwählte ist von der erfolgten Wahl zu benachrichtigen. Trifft innerhalb 
acht Tagen vom Tage der Zustellung dieser Benachrichtigung nicht die protest= und 
vorbehaltlose Annahme der Wahl beim Wahlkommissar ein, so gilt die Wahl als 
abgelehnt und ist sofort durch den Wahlkommissar eine Neuwahl zu veranlassen 
(Wahlreglement § 33). Der durch die Wahlkommission Verkündete ist so lange 
der Reichstagsabgeordnete für den Wahlkreis, bis der Reichstag seine Wahl für 
ungültig erklärt hat (Geschäftsordnung für den deutschen Reichstag vom 10. Februar 
1870, § 8: „Bis zur Ungültigkeitserklärung einer Wahl hat der Gewählte Sitz und 
Stimme im Reichstage. Mitglieder, deren Wahl beanstandet wird, dürfen in Be- 
ziehung auf ihre Wahl alle ihnen nöthig erscheinenden Aufklärungen geben, nicht 
aber an der Abstimmung theilnehmen"). „Stimmzettel für öffentliche Wahlen, 
sofern sie nichts weiter als Zweck, Zeit und Art der Wahl und die Bezeichnung 
der zu wählenden Person enthalten“, find nach den Schlußworten in § 6 des 
Neichspreßgesetzes vom 7. Mai 1874 (R.-G.-Bl. 1874, S. 65) von der Vorschrift, 
daß auf jeder Druckschrift der Name und Wohnort des Druckers und Verlegers ge- 
nannt sein muß, befreit. Das Reichsgesetz vom 12. März 1884, betr. die Stimm- 
zettel für öffentliche Wahlen (R.-G.-Bl. 1884, S. 17), erklärte, daß solche Stimm- 
zettel (überhaupt) nicht als Druckschriften im Sinne der Reichs= und der Landesgesetze 
gelten. Dagegen gelten Parteischilder der Wahlzettelvertheiler als Druckschriften im 
Sinne des Preßgesetzes und bedürfen mithin der Bezeichnung, wer Drucker und 
Verleger sind. 
  
  
  
1 Da der Kommissar in einem solchen Falle ob der Reichstag eine verspätete Annahme noch 
eine Neuwahl veranlaßt haben wird, ehe der als gültig annehmen kann (vgl. hierfür Laband, 
Reichstag über die Jl- ung der verspäteten I. S. 291, Anm. 3), in den meisten Fällen eine 
Annahme beschlossen haben kann, ist die Frage, müßige.
	        
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