Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

138 Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches. 
der Abdruck nur der Reden einer bestimmten Partei (Erkenntnisse des Reichsgerichts 
vom 5. November 1886 und 6. November 1888 in den Entsch. in Strafsachen, 
Bd. XV, S. 32 und Bd. XVIII, S. 207; vgl. auch v. Liszt, Reichspreßrecht, 
§ 45, Seydel, Comm., S. 205, Oppenhoff's Comm. zu § 12 des Straf- 
gesetzbuches, Olshausen, Comm., S. 83). Wortgetreu brauchen die Berichte 
nicht zu sein. Es muß ein als objectiv gewolltes Referat über die Verhandlungen 
oder einen abgeschlossenen Theil derselben (einen bestimmten Gegenstand) vorliegen. 
Die Wiedergabe einer einzelnen Rede fällt, wenn diese Rede allein an dem frag- 
lichen Tage oder allein zu dem fraglichen Gegenstande gehalten wurde, unter 
Art. 22. Im Allgemeinen deckt sich Art. 22, Abs. 2 mit § 12 des Reichsstraf- 
gesetzbuchs, Art. 22 schützt nur Berichte öffentlicher Reichstagssitzungen, also nicht 
Berichte von Kommissionsfsitzungen, noch weniger private Bemerkungen, die 
ein Abgeordneter gethan hat. Die Befreiung von der Verantwortlichkeit bezieht 
sich sowohl auf die strafrechtliche, wie die disciplinarische Seite; s. auch Laband, 
Reichsstaatsrecht, I. S. 152. 
Schutz des Reichstages. 
§ 105 des Strafgesetzbuches bestimmt: „Wer es unternimmt ... eine gesetz- 
gebende Versammlung des Reichs . auseinander zu sprengen, zur Fassung oder 
Unterlassung von Beschlüssen zu nöthigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltsam zu 
entfernen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von 
gleicher Dauer bestraft. — Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungs- 
haft nicht unter Einem Jahre ein.“ Diese Vorschrift, welche auch den Bundesrath 
schützt, richtet sich zunächst gegen das Auseinandersprengen, das durch „unmittelbare“ 
(hysische) Gewalt, wie durch Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr (phyfische Gewalt) 
geschehen kann. Unter Nöthigung ist die Aufhebung der freien Entschließung eines 
Anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verstehen. Wenn das in § 105 
unter Strafe gestellte Unternehmen darauf gerichtet ist, die Verfassung des Deutschen 
Reiches gewaltsam zu ändern, so liegt Idealconcurrenz mit § 81, Ziffer 2 des 
Strafgesetzbucheß vor. 
106 des Strafgesetzbuches schreibt vor: 
„Wer ein Mitglied einer der vorbezeichneten Bersammlungen (also z. B. 
des Bundesraths oder Reichstages) durch Gewalt oder durch Bedrohung 
mit einer strafbaren Handlung verhindert, sich an den Ort der Versamm- 
lung zu begeben oder zu stimmen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren 
oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. — Sind mildernde Um- 
stände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zwei Jahren ein.“ 
Unter Gewalt ist hier unmittelbare Gewalt, vis compulsiva, zu verstehen. 
Nicht jede Drohung genügt zum Thatbestande, sondern nur die Bedrohung mit 
einer strafbaren Handlung, z. B. Jemanden zu tödten oder zu schlagen. Auch der 
Versuch des Verbrechens gegen § 106 ist strafbar. Ein Beamter macht sich des 
Verbrechens strafbar, auch wenn er weder Gewalt oder Drohung anwendet, wohl 
zer x.li mißbraucht oder zu mißbrauchen droht (Reichsstrafgesetzbuch 
339, Abs. 1). 
Beamte bedürfen keines Urlaubs. 
Abs. 1 des Art. 21 der Reichsverfassung lautet übereinstimmend mit Absatz 2 
in Art. 78 der Preußischen Verfassungsurkunde: „Beamte bedürfen keines Urlaubs 
zum Eintritt in den Reichstag.“ In Preußen bezog man die Bezeichnung „Be- 
amte“ nicht auf Privat-, Hof= oder Kirchenbeamte, sondern nur auf die unmittel- 
baren oder mittelbaren Staatsbeamten, also auch auf die Communalbeamten (ogl. 
Schwartz, Comm., S. 231). Im Sinne des Art. 21 find Beamte zweifellos 
Reichs= und Staatsbeamte, und zwar unmittelbare wie mittelbare, also auch 
Communalbeamte. Wer als Beamter in einem Bundesstaate anzusehen ist, ent- 
scheidet sich nach dessen Staatsrecht. Geistliche z. B. find in Preußen nicht Beamte 
(vgl. Erk. des Oberverwaltungsgerichts vom 4. October 1881 und 27. September
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.