Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

ß 21. Die Zuständigkeit des dentschen Reichstages. 153 
schristlichen Bericht verlangen und zu diesem Behufe die Sache an die Kommission 
zurückverweisen (§ 27). Die Mitglieder des Bundesrathes und die Kommissarien 
desselben können den Abtheilungen und Kommissionen mit berathender Stimme 
beiwohnen. Von dem Zusammentritt der Kommissionen, wie von dem Gegenstande 
der Verhandlungen muß dem Reichskanzler Kenntniß gegeben werden (§ 29). Die 
Kommissionen und Abtheilungen regeln ihre Tagesordnung selbst; außerdem ist der 
Präßident befugt, für die Abtheilungen Sitzungen anzuberaumen (§ 30). Sind 
die Gegenstände der Verhandlungen durch die Kommissionen vorbereitet, so wird 
solches dem Präsidenten mitgetheilt, welcher die Einbringung derselben auf die 
Tagesordnung verfügt und den Tag der Verhandlungen feststellt (§ 31). Die 
Tagesordnung für das Plenum wird durch den Präfidenten vor dem Schlusse jeder 
Sitzung für die nächste Sitzung verkündet. Wenn sich dagegen ein Widerspruch 
erhebt, so entscheidet der Reichstag durch einen Beschluß darüber, ob der Widerspruch 
begründet ist. Die Tagesordnung wird sodann den Mitgliedern des Reichstages 
und des Bundesrathes durch den Druck mitgetheilt. Die! von Mitgliedern des 
Reichstages gestellten Anträge kommen in der Reihenfolge zur Verhandlung, in 
welcher fie eingegangen sind. Alle Anträge, welche innerhalb der ersten zehn 
Tage einer Sesfion eingegangen find, gelten als gleichzeitig eingebracht. Ueber die 
Reihenfolge der Berathung gleichzeitig eingebrachter Anträge hat der Präfident sich 
mit dem Hause zu verständigen. Erfolgt eine Verständigung nicht, so entscheidet 
das durch den Präfidenten zu ziehende Loos. Gesetzentwürfe behalten ihre Priorität 
bis zu ihrer Schlußberathung; die zweite und dritte Berathung hat mithin, soweit 
sie zur Behandlung im Plenum vorbereitet ist, vor denjenigen Anträgen stattzufinden, 
welche in der Reihenfolge der ersten Berathung diesen Gesetzentwürfen nachgestanden 
haben. Die Petitionen gelangen in derjenigen Reihenfolge zur Berathung, in 
welcher sie zur Verhandlung im Plenum vorbereitet find. Eine Entfernung von der 
Stelle der Tagesordnung, welche den von den Mitgliedern des Reichstages gestellten 
Anträgen und den Petitionen nach der Priorität gebührt, kann nur beschlossen werden, 
wenn nicht bei Anträgen von dem Antragsteller und bei Petitionen von dreißig Mit- 
gliedern widersprochen wird (§ 35). Das Protokoll jeder Sitzung liegt während 
der nächsten Sitzung aus und wird, wenn dagegen bis zum Schlusse der Sitzung 
kein Einspruch erhoben wird, als genehmigt erachtet (§ 838). Das Protokoll muß 
enthalten: 1) die gefaßten Beschlüsse in wörtlicher Anführung; 2) die Inter- 
pellationen in wörtlicher Fassung, nebst der Bemerkung, ob fie beantwortet find; 
3) die amtlichen Anzeigen des Präsidenten (§ 39). Wird gegen die Fassung des 
Protokolls Einspruch erhoben, welcher sich durch die Erklärung der darüber zu 
hörenden Schriftführer nicht heben läßt, so befragt der Präfident die Versammlung; 
im Falle der Einspruch für begründet erachtet wird, muß noch während der Sitzung 
eine neue Fassung der betreffenden Stelle vorgelegt werden (§ 40). Das Protokoll 
wird von dem Präsidenten und zwei Schriftführern vollzogen (§ 41). Kein Mit- 
glied darf sprechen, ohne vorher das Wort verlangt und von dem Präfidenten er- 
halten zu haben. Will der Präßident sich an der Debatte betheiligen, so muß er 
den Vorsitz abtreten (§ 42). Sofortige Zulaffung zum Worte können nur die- 
jenigen Mitglieder verlangen, welche über die Verweisung zur Geschäfts-Ordnung 
reden wollen. Persönliche Bemerkungen find erst nach dem Schlusse der Debatte 
oder im Falle der Vertagung derselben am Schlusfse der Sitzung gestattet. Faktische 
Bemerkungen find unzulässig (§I 44). Die Redner sprechen von der Rednerbühne 
oder vom Platze. Den Mitgliedern des Reichstages ist das Verlesen schriftlich ab- 
gefaßter Reden nur dann gestattet, wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig 
find (§ 45). Der Präfident ist berechtigt, den Redner auf den Gegenstand der 
Verhandlung zurückzuweisen und zur Ordnung zu rufen. Ist das Eine oder das 
Andere in der nämlichen Rede zwei Mal ohne Erfolg geschehen, und fährt der Redner 
fort, sich vom Gegenstande oder von der Ordnung zu entfernen, so kann die 
  
1 Das Folgende bis zu den Worten „wider= schlusse des Reichstages vom 5. Februar 1895 
sp wird“ bildet den dritten Absatz in § 35|(Sten. Ber. des Reichstages 1895, S. 669 ff., 
der Geschäftsordnung und beruht auf dem Be= und Anlageband 1 S. 644). .
	        
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